Das ist ein echter Paukenschlag zum Jahresbeginn: Der ambitionierte Handball- Sachsenligist NHV Concordia Delitzsch hat sich von seinem Cheftrainer Michael Schneider getrennt. Ein Nachfolger soll zeitnah bestimmt und bekanntgegeben werden. Bereits am Samstag tritt der Tabellenzweite beim Spitzenreiter TSV 1862 Radeburg an – dann sitzt der Neue mit ziemlicher Sicherheit bereits auf der Bank. Die Mannschaft wurde am Montagabend bei einem kurzfristig angesetzten Sondertraining über die neue Situation informiert.
„Sportliche Leitung und Vorstand haben während der Feiertagswochen umfangreich analysiert, abgewogen und resümiert, um mit ganzer Kraft die Rückrunde durch den Titel des Sachsenmeisters krönen zu können“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der NHV-Führung. „Veränderungen sollen der Mannschaft neue und andere Impulse verleihen. Der langjährige Chefcoach Michael Schneider ist beurlaubt und von seiner Aufgabe als Trainer der Sachsenliga-Mannschaft entbunden.“
NHV-Vorstandschef Axel Schüler signalisierte eine schnelle neue Lösung und erklärte: „Wir werden mit breiter Brust und einer hochmotivierten Mannschaft sehr gut vorbereitet zum Top-Spiel nach Radeburg fahren.“ Die Partie zum Rückrunden-Auftakt am bevorstehenden Wochenende trägt nach Ansicht der Concordia-Führung Endspiel-Charakter. Radeburg (19:3 Punkte) führt nach 11 von 22 Partien mit zwei Zählern Vorsprung auf Delitzsch (17:5), es folgen LHV Hoyerswerda (16:6) und SV Koweg Görlitz (15:7). Alle anderen Vereine sind bereits aus dem Rennen um Rang eins.
Über die exakten Hintergründe für die Demission von Schneider kann freilich ein wenig spekuliert werden. Der aufstiegswillige Verein war eigentlich grandios in die Saison gestartet, nach einem Remis zum Auftakt gegen Radeburg (27:27 am 12. September) folgten acht Siege – die Truppe stand glänzend da und grüßte mit 17:1 Zählern von der Tabellenspitze. Dann aber folgten zwei hauchdünne Niederlagen: in Görlitz gab es ein 25:26 (13. Dezember), in Hoyerswerda ein 28:29 (19. Dezember). Die Weihnachtsstimmung war futsch. In beiden Partien fehlte Top-Torjäger Jan Jungandreas. Der Sohn des einstigen Delitzscher Bundesliga-Coaches Uwe Jungandreas hatte beim letzten Sieg gegen den HC Elbflorenz II eine Schulterverletzung erlitten und fällt bis zum Saisonende aus.
In der Vorstandserklärung heißt es nun zu der Trainer-Entscheidung: „Ein hoher Einsatz und volles Risiko, denn fortan wird sich zeigen, ob das Team mit dieser Entscheidung tatsächlich neues Potenzial entfaltet.“ Offenbar hatte die Führungscrew auch in die Mannschaft hineingehorcht. Und war aufgrund der so gewonnenen Erkenntnisse zu der Überzeugung gelangt, dass Schneider nicht mehr der richtige Mann für die „Mission Aufstieg“ ist.
Wanken, zumal Radeburg mit bisher nur drei Unentschieden einen stabilen Eindruck hinterlässt. „Die Wunden der letzten beiden knappen Auswärtsniederlagen schmerzen sehr, zurückgeblieben sind Narben, deren schnelle Heilung im Fokus steht“, so die NHV-Sicht.
Triumph am Samstag in Radeburg wäre mehr als Balsam für diese Wunden – die Partie ist übrigens ausverkauft. Einlass in die rund 220 Zuschauer fassende Wettkampfstätte gibt es also nur für jene rund 50 Delitzscher Anhänger, die ein Ticket für den Fanbus ergattern konnten. Das erste Heimspiel mit neuem Trainer findet dann am 16. Januar gegen Aufsteiger Zwönitzer HSV 1928 statt. Der langjährige Chefcoach Schneider, im Hauptberuf Erzieher, hatte in den vergangenen Jahren mehrfach knapp den angestrebten Sprung in die Oberliga verfehlt. In der Saison 2014/15 landete er mit seinen Jungs auf Rang drei, die beiden Spielzeiten zuvor reichte es jeweils „nur“ zur Vizemeisterschaft.
Nach seinem letzten Match in sportlicher Verantwortung am 19. Dezember in Hoyerswerda gingen die Meinungen der „Würdenträger“ schon weit auseinander. Schneider schwärmte trotz der entgangenen Zähler „vom besten Sachsenliga-Spiel, das ich in dieser Saison gesehen habe“. Concordias Teammanager Christian Hornig war hingegen mächtig sauer, kritisierte das Team ungewöhnlich scharf: „Da wird lieber der Fehler beim Nachbarn gesucht, anstatt sich selbst kritisch zu hinterfragen. Wir nehmen uns Würfe, die völlig unvorbereitet sind und die jede taktische Disziplin vermissen lassen.“ Diese Worte erhalten mit der Entlassung nachträglich einen anderen Klang.
Schneider nutzten dann auch die wirklich schlechten Vorzeichen bei diesem Match nicht mehr für den „Job-Erhalt“. Es fehlten der langzeitverletzte Jan Jungandreas, Kapitän Ivo Doberenz, Marcus Leuendorf, Matthias Strehle und Clemens Liebezeit. Zu allem Überfluss hatten Torhüter Gàbor Pulay und Marcel Ulrich im Stau gestanden und erst Mitte der ersten Halbzeit eingegriffen. In Radeburg wird die Personalsituation eine bessere sein.
Jens Teresniak / Torsten Teichert, Leipziger Volkszeitung vom 5.Januar 2016
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