Samstag, 26. Oktober 2013

NHV - TSV 1862 Radeburg 24:19 (9:10)

Die Stunde des Nachwuchs-Hexers

Helden werden bekanntlich in dunklen Stunden geboren. Wenn die Hoffnung schwindet, der Glaube an den Sieg schon fast versiegt ist. Am Samstagabend gab Max Neuhäuser den Desperado, bewahrte den NHV Concordia Delitzsch vor einer Blamage gegen Aufsteiger TSV Radeburg. Erst dank seiner Paraden kam der NHV überhaupt ins Spiel, gewann letzlich 24:19 (9:10) und behielt Platz eins der Handball-Sachsenliga.
In der Schlussminute erhoben sich die Fans, zollten ihren Jungs stehende Ovationen. Das Seltsame an der Szenerie: Es waren die gut 60 Schlachtenbummler aus Radeburg, die ihre Mannschaft feierten - wie schon in der kompletten zweiten Halbzeit, eigentlich im gesamten Spiel. Mit der großartig-verwegenen Schar im Rücken lieferten die Gäste über lange Zeit ein großes Spiel - bis die Kräfte schwanden.
Die Delitzscher wussten sehr wohl, dass sie an diesem Tag vieles schuldig geblieben waren, anfangs nicht neben den Schuhen, sondern praktisch außerhalb der Halle standen. "Wir haben heute nicht unser bestes Tennis gezeigt", bekannte Kapitän Marcus Leuendorf anschließend. Das hätte womöglich auch Boris Becker bestätigt, wenn der nicht gerade schwer damit beschäftigt wäre, sein eigenes Denkmal einzureißen. Ivo Doberenz sah in den fehlenden Kaffeevorräten am Samstagabend einen Grund für das Trauerspiel: "Wir waren nicht ausgeschlafen genug und haben dafür die Quittung bekommen." Auf den Punkt brachte es schließlich der Alt-Internationale Shinn Uematsu: "Scheiß Spiel!"
Das traf ganz besonders auf die ersten 20 Minuten zu. Radeburg deckte aggressiv. Die Hausherren hatten mit solch einer rüden Behandlung offenbar nicht gerechnet, wollten die Partie wohl schmerzfrei nach Hause schaukeln. Und mussten überascht feststellen, dass man so niemanden in dieser Liga beikommt. Beim Stand von 4:10 gingen bei Jesus Christus zahlreiche Stoßgebete ein. Nur einer blieb angeblich cool. "Im Spiel zweifelt man nicht", sagte Concordia-Trainer Michael Schneider hinterher. Obwohl er vorher phasenweise durchaus verzweifelt dreingeblickt hatte. Nunja, das waren womöglich Psychotricks.
Jedenfalls versuchte der Coach alles, das drohende Unheil abzuwenden, brachte frisches Blut. Aber erst die Hereinnahme von Max Neuhäuser brachte die Wende. Der Nachwuchs-Hexer schraubte sein Gehäuse zu, blieb lange Zeit einer der wenigen Lichtblicke im Delitzscher Spiel und erklärte die feine Leistung auf ganz eigene Weise: "Ich kam rein und hab' gehofft, dass ich gut reinkomme." Und er kam sogar prächtig rein, blieb elf Minuten am Stück ohne Gegentor, was seine Kollegen am anderen Ende des Parketts nutzten, um zur Aufholjagd zu blasen. Dazu gesellten sich einige glückliche Schiedsrichter-Entscheidungen, wie das Leben so spielt an der Tabellenspitze.
Locker zum Sieg flanierte der NHV im zweiten Durchgang freilich nicht. Allein vier vergebene Siebenmeter und etliche Zwei-Minuten-Strafen hätten manch andere Mannschaft aus der Umlaufbahn geworfen. "Aber unsere Fitness lässt zu, dass wir auch in Unterzahl stabil sind", sagte Schneider. Einer der wenigen Lichtblicke dieser Zangengeburt.
Johannes David, Leipziger Volkszeitung vom 28.Oktober 2013

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Sonntag, 13. Oktober 2013

SV Plauen-Oberlosa - NHV 21:24 (8:11)

Unter Druck funktioniert's

Die Plauener Handball-Festung ist gefallen. Nach 31 Monaten Unbesiegbarkeit zwingen jene Gesichter den bärenstarken Sachsenliga-Aufsteiger in die Knie, die anno dazumal schon das Kunststück vollbracht hatten. Ulrich, Jungandreas & Co alias der NHV Delitzsch gewinnt am Sonnabend die Abwehrschlacht 24:21 (11:8) gegen SV Plauen-Oberlosa. Die Loberstädter, fein eingehüllt in der weißen Weste, bleiben damit unangefochten Spitzenreiter der Sachsenliga.
"Angenehm ist das nicht", sagt NHV-Trainer Michael Schneider, "aber wir müssen mit dem Druck umgehen können, wenn wir aufsteigen wollen." Gleich 625 laut krakeelende Hälse heizten am Sonnabend in der Festung Kurt-Helbig-Sporthalle in Plauen den Kessel an, darunter auch gut 70 Delitzscher. Schließlich haben die Teams der Sachsenliga per Dekret bestimmt, wer als Favourit gebrandmarkt wird. Den "Schwarzen Peter" nennt es Schneider. Und mit dem scheint der Trainer ganz gut umgehen zu können. Nach vier Spielen bleibt das NHV-Nest weiter blitzeblank. Kuckuckseier sind auch nirgendwo zu finden, blaue Wunder bleiben aus. Und so frohlockt der Coach, wie schon vor der Partie, äußerst gelassen, spricht von einer geschlossenen Mannschaftsleistung und verabschiedet sich in den wohlverdienten Sonntag. "Wir haben das cool und sicher runtergespielt", zwitschert der NHV-(Meister?)-Koch.
Es ist die von ihm prognostizierte Abwehrschlacht gewesen. "Das beweist allein der Halbzeitstand", stimmt Rico Michel, Teammanager des Plauen-Oberlosa ein, "sehr bissig und agressiv." Mit lediglich 19 Toren Magerkost für jene, die ein Schützenfest erwartet hatten. "Aber eine klasse Auszeichnung für die Torhüter auf beiden Seiten", singt Michel weiter, "die Delitzscher waren dann in den entscheidenden Momenten einfach cleverer, routinierter." Dabei fallen immer wieder die Namen Ulrich, Jungandreas, Leuendorf und Uematsu. "Shin ist ein unheimlich spielstarker Mann, der in den entscheidenden Phasen die Ruhe behält. Gerade, weil wir keinen richtigen Rückraum-Shooter haben", lobt NHV-Coach Schneider.
Den roten Faden, die konsequente Deckungsarbeit, ließen die Delitzscher das komplette Spiel nicht aus den Händen gleiten. Zeitweise zogen sie sogar auf fünf Treffer davon. "Da können wir den Sack zumachen", findet der Trainer dann doch noch ein Haar im Süppchen, "unsere Kontermöglichkeiten haben wir da aber nicht genutzt." Selbst eine doppelte Unterzahl sollte den Kessel nicht zum Überschwappen bringen. Im Gegenteil, der Druck scheint den NHV in eine solide Gussform zu pressen.
Womit wir wieder am Anfang wären. "Fünf, sechs Monate müssen wir das aushalten", prognostiziert Schneider. Bekanntermaßen entstehen nur unter Druck Diamanten. Und manch ein Spieler hat schon das gewisse Alter dazu.
Alexander Bley, Leipziger Volkszeitung vom 14.Oktober 2013

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