Helden werden bekanntlich in dunklen Stunden geboren. Wenn die Hoffnung schwindet, der Glaube an den Sieg schon fast versiegt ist. Am Samstagabend gab Max Neuhäuser den Desperado, bewahrte den NHV Concordia Delitzsch vor einer Blamage gegen Aufsteiger TSV Radeburg. Erst dank seiner Paraden kam der NHV überhaupt ins Spiel, gewann letzlich 24:19 (9:10) und behielt Platz eins der Handball-Sachsenliga.
In der Schlussminute erhoben sich die Fans, zollten ihren Jungs stehende Ovationen. Das Seltsame an der Szenerie: Es waren die gut 60 Schlachtenbummler aus Radeburg, die ihre Mannschaft feierten - wie schon in der kompletten zweiten Halbzeit, eigentlich im gesamten Spiel. Mit der großartig-verwegenen Schar im Rücken lieferten die Gäste über lange Zeit ein großes Spiel - bis die Kräfte schwanden.
Die Delitzscher wussten sehr wohl, dass sie an diesem Tag vieles schuldig geblieben waren, anfangs nicht neben den Schuhen, sondern praktisch außerhalb der Halle standen. "Wir haben heute nicht unser bestes Tennis gezeigt", bekannte Kapitän Marcus Leuendorf anschließend. Das hätte womöglich auch Boris Becker bestätigt, wenn der nicht gerade schwer damit beschäftigt wäre, sein eigenes Denkmal einzureißen. Ivo Doberenz sah in den fehlenden Kaffeevorräten am Samstagabend einen Grund für das Trauerspiel: "Wir waren nicht ausgeschlafen genug und haben dafür die Quittung bekommen." Auf den Punkt brachte es schließlich der Alt-Internationale Shinn Uematsu: "Scheiß Spiel!"
Das traf ganz besonders auf die ersten 20 Minuten zu. Radeburg deckte aggressiv. Die Hausherren hatten mit solch einer rüden Behandlung offenbar nicht gerechnet, wollten die Partie wohl schmerzfrei nach Hause schaukeln. Und mussten überascht feststellen, dass man so niemanden in dieser Liga beikommt. Beim Stand von 4:10 gingen bei Jesus Christus zahlreiche Stoßgebete ein. Nur einer blieb angeblich cool. "Im Spiel zweifelt man nicht", sagte Concordia-Trainer Michael Schneider hinterher. Obwohl er vorher phasenweise durchaus verzweifelt dreingeblickt hatte. Nunja, das waren womöglich Psychotricks.
Jedenfalls versuchte der Coach alles, das drohende Unheil abzuwenden, brachte frisches Blut. Aber erst die Hereinnahme von Max Neuhäuser brachte die Wende. Der Nachwuchs-Hexer schraubte sein Gehäuse zu, blieb lange Zeit einer der wenigen Lichtblicke im Delitzscher Spiel und erklärte die feine Leistung auf ganz eigene Weise: "Ich kam rein und hab' gehofft, dass ich gut reinkomme." Und er kam sogar prächtig rein, blieb elf Minuten am Stück ohne Gegentor, was seine Kollegen am anderen Ende des Parketts nutzten, um zur Aufholjagd zu blasen. Dazu gesellten sich einige glückliche Schiedsrichter-Entscheidungen, wie das Leben so spielt an der Tabellenspitze.
Locker zum Sieg flanierte der NHV im zweiten Durchgang freilich nicht. Allein vier vergebene Siebenmeter und etliche Zwei-Minuten-Strafen hätten manch andere Mannschaft aus der Umlaufbahn geworfen. "Aber unsere Fitness lässt zu, dass wir auch in Unterzahl stabil sind", sagte Schneider. Einer der wenigen Lichtblicke dieser Zangengeburt.
Johannes David, Leipziger Volkszeitung vom 28.Oktober 2013
>>> Statistiken auf der Stats-Corner
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen