Mittwoch, 30. Juli 2014

Zusammengeschweißt

Ein einsames Trikot kündet von den Beschwerlichkeiten des vergangenen Wochenendes. Triefend vor Nässe baumelt es in grellem orange auf einem Tor vor der Becker-Halle, als wollte irgendwer die Ereignisse der zurückliegenden knapp 48 Stunden zu einem Stillleben verarbeiten. Von Freitagabend bis Sonntagmittag haben sich die Herren des NHV Concordia Delitzsch an Ort und Stelle geschunden. Die Vorbereitung auf die Saison in der Handball-Sachsenliga hinterlässt Spuren. Ein paar Schritte weiter sind die menschgewordenen Qualen zu besichtigen.
Die Zuordnung des verwässerten Leibchens erweist sich allerdings als nahezu unlösbares Vorhaben. Mal eben drei Viertel der Mannschaft tippeln oben ohne über das Parkett, oder besser: sie taumeln. Auslaufen nennt sich das in Fachkreisen. Coach Michael Schneider fasst die zurückliegenden Ergebnisse fast schon bürokratisch zusammen: "Ich bin zufrieden. Wir haben den ausgearbeiteten Trainingsplan durchgezogen." Der bestand aus diversen Lauf- und Kraft-Einheiten und ein paar technisch-taktischen Amüsements. "Die Neulinge sollen in unsere Handball-Philosophie reinwachsen, die anderen sich wieder daran erinnern", erklärt Schneider. Die Philosophie heißt bekanntlich: Tempo- Handball der knallharten Sorte. Wer da konditionell nicht auf der Höhe ist, verpasst ganz schnell den Anschlusszug. Auch Kapitän Marcus Leuendorf schont sich nicht. Die Anstrengungen stehen dem inzwischen 32-Jährigen auf den Leib geschrieben. Der Kopf leuchtet ziegelrot, Rinnsale fließen die Stirn herab, das T-Shirt klebt durchnässt und figurbetont an Brust, Bauch und Rücken, die Schuhe stehen unter Salzwasser. "Es wird von Jahr zu Jahr schwerer. Die Jungschen werden immer schneller", sagt der Routinier. Intensiv und abwechslungsreich seien die Einheiten gewesen. Da wirkt der Zusatz, "es hat Spaß gemacht", ein wenig erzwungen. Den Flüssigkeitshaushalt von Leuendorf und Co. brachten übrigens fünf Kisten Wasser, umgerechnet also 60 Liter, wieder einigermaßen in Waage. Ein paar Sekündchen später sitzen alle noch einmal im Kreis zusammen, der Übungsleiter richtet warme Dankesworte an die Herren in Schweiß. Matthias Strehle suhlt sich derweil in einer Lache des körpereigenen Safts, Jan Jungandreas fallen zwischenzeitlich die Äuglein zu. Dafür teilt der Toptorjäger erfreuliches zu seinem Gesundheitszustand mit. "Ich muss zwar immer noch dosiert trainieren. Aber es wird von Woche zu Woche besser." Der malade Rücken soll bald wieder sachsenligatauglich sein. Kein Wunder, dass Jungandreas sich besser fühlt. Schließlich wurden er und die Mannschaft am Sonnabend vom NHV-Fanclub liebevoll umsorgt. Erst kochten die "Loberhaie" Nudeln für die gesamte Handball-Kompanie, am Abend schmuggelten sie sogar eine 20er Packung Bier und Grillgut in die unmittelbare Nähe der Becker- Halle. "Es war aber auch viel Alkoholfreies dabei", sagt Julius Hartmann und zerstreut sofort Spekulationen um ein Gelage. Keine Schnaps- Marinade also. Kurz darauf ist das apfelsinen-farbene Symbol des Wochenendes verschwunden, womöglich in einer Waschmaschine einquartiert. Heute und morgen geht es schließlich weiter in Sachen Saison-Vorbereitung. "Ich hoffe, dass wir langsam mal etwas mehr mit dem Ball machen", sagt Marcus Leuendorf. Seine Teamkollegen hätten gegen die weisen Worte des Kapitäns sicher nichts einzuwenden.
Johannes David, Leipziger Volkszeitung vom 28.Juli 2014

Samstag, 12. Juli 2014

Schweißtreibendes im Wohnzimmer

Seit fast zwei Wochen sind sie wieder im Training - die Sachsenliga-Handballer des NHV Concordia Delitzsch. Höchste Zeit für eine nicht ganz alltägliche Audienz bei der Einheit am Donnerstagabend in der heiligen Becker-Halle. "Unser Wohnzimmer", wie Trainer Michael Schneider es so schön nennt, wirkt ohne Zuschauer verdammt trist. Nur der Schweißgeruch, den inzwischen wohl die Mauern aufgesaugt haben, zeugt von den vergangenen Schlachten. Auf dem Parkett erwärmt sich die Mannschaft mit Seilspringen, als wäre die Szenerie nicht schon skurril genug.
Die ersten Koordinations-Übungen laufen dann unter der Fuchtel von Martin Möhle, der ist schließlich Co-Trainer. Co, wie Koordination. Michael Schneider schaut entspannt von der Bank aus zu und hat ein wenig Zeit für elementare Fragen. Zum Beispiel zum Thema Abwechslungsreichtum, bis zum ersten Punktspiel vergehen immerhin noch zwei Monate. Bestimmte Einheiten sind eigentlich immer ähnlich, nur die Schwierigkeitsstufen werden gesteigert. Ansonsten wollen wir das prinzipiell schon konstant lassen", erzählt der Coach. Üblicherweise schindet er seine Schützlinge zu Beginn der Vorbereitung mit den allseits beliebten Lauf- und Kraft-Einheiten. Dazu gereicht werden wahlweise Kraft- und Lauf-Einheiten, damit keine Langeweile aufkommt.
"Für unsere Art und Weise Handball zu spielen, müssen wir richtig fit sein, einen extremen Aufwand betreiben", sagt Schneider. Nur so funktioniert das gefürchtete Delitzscher Tempo-Spiel über 60 Minuten. Deswegen sind die Belastungen für das Team vergleichsweise hoch, wenn man bedenkt, dass hier reine Amateure arbeiten. "Was hier in den letzten drei Jahren entstanden ist, ist sehr schwer händelbar, immer eine Gratwanderung zwischen unserem Anspruch und dem, was das Umfeld will", erzählt Schneider, da das Wort Aufstieg durch die Ritzen pfeift.
Und weil die Einheiten unter der Woche dafür nicht reichen, geht es vom 25. bis 27.Juli ins Trainingslager. Allerdings verzichtet man auf einen Schweif in die Ferne, sondern verbringt das verlängerte Wochenende gemeinsam im Wohnzimmer.
Johannes David, Leipziger Volkszeitung vom 12.Juli 2014

Freitag, 4. Juli 2014

Der unglaubliche Hulk startet ins Training

Das Wetter war hervorragend, die Laune noch besser. Am Dienstagabend haben die Sachsenliga-Handballer des NHV Concordia Delitzsch mit dem Training begonnen. Und dabei gab es alles was das Herz begehrt: Trainer Michael Schneider schwor die Mannschaft auf die Mission Aufstieg ein, trat anschließend höchstselbst beim Fußballspiel "alt" gegen "jung" vor die Pille, ehe es direkt zur ersten ernstzunehmenden Einheit überging. "Jetzt sollen sich alle ein wenig beschnuppern, Spaß haben. Aber es gibt kein großes Vorgeplänkel, dazu ist die Vorbereitung zu kurz", umriss Schneider die Programminhalte. Die "Kürze" der Vorbereitung liegt dabei im Auge des Betrachters, schließlich startet die Saison erst Mitte September. Doch zurück zur Laune, der prächtigen. Spätestens mit dem Anpfiff der fußballähnlichen Aktivität begannen die verbalen Scharmützel. Stephan Sarközi gab den Vorsänger, ätzte schon nach zwei Sekunden: "Ihr bewegt euch viel zu wenig." Dabei bewegten sich die Herren durchaus, vergaßen dabei nur häufig das Spielgerät oder mussten sich mit Pässen auseinandersetzen, die selbst einen Lothar Matthäus in Topform überfordert hätten. Der lange verletzte Jens Groeschel verzichtete angesichts des maladen Gebeins auf den wilden Kick, drehte dafür unermüdlich seine Runden um den Platz. Äußerlich jedenfalls scheint der 35-Jährige topfit zu sein, wirkt wie eine Mischung aus Ursus und dem unglaublichen Hulk. "Steinis" lapidarer Kommentar zu seiner beeindruckenden Statur: "Wenn ich schon nicht schnell bin ..." Schnell dagegen war Marcel Ulrich - zumindest auf dem Motorrad. Der Kreisläufer kam einige Minuten zu spät und versuchte durch Vollgas aufzuholen, was nicht mehr aufzuholen war. Gänzlich fern blieben dem Auftakt Kapitän Marcus Leuendorf, Enrico Henoch, Matthias Strehle, Danny Trodler und Ivo Doberenz (ausgerechnet der nach Traineraussage beste Fußballer) die mit Arbeits- und Urlaubsverpflichtungen haderten. Noch einmal dabei war dagegen Georg Mendisch, bevor er sich von Berufswegen nach Münden verabschiedet. "Der ist bestimmt nur wegen dem Fußball da und wird sich wundern, wenn wir nachher richtig loslegen", sagte Schneider. Die aus fußballerischer Sicht beste Co- Produktion stellten dann Julius Hartmann und Martin Möhle her. Nach einer Bilderbuchflanke des Spielmachers stieg der Co-Trainer gefühlte anderthalb Meter in die Luft und schädelte das Leder zum 1:0 für die Oldies zwischen das Gebälk. Über den Ausgang der Partie wurde allerdings Stillschweigen vereinbart. Immerhin lagerte neben dem Grün zur Erfrischung die obligatorische Kiste Bier, auf der übrigens zwei Fläschchen Clausthaler ohne Umdrehungen thronten - zu denen sich allerdings niemand offiziell bekennen wollte. Vom Spielfeldrand verfolgte schließlich die komplette NHV-Vorstandsetage die ersten Schritte der Vorbereitung. Fast schon ein bisschen wehmütig blickte Frank Bönke in Richtung der einstigen Kollegen. Doch nach dem Ende seiner Laufbahn konzentriert er sich jetzt voll auf sein Dasein als Geschäftsstellenleiter des Vereins.
Johannes David, Leipziger Volkszeitung vom 3.Juli 2014