Samstag, 23. November 2019

NHV - HSV Bad Blankenburg 21:20 (5:10)

Endlich ganz oben: NHV dreht das Top-Spiel
 
Es ist exakt 20.36 Uhr am Sonnabend. Einen nach der Schlusssirene noch auszuführenden Freiwurf des HSV Bad Blankenburg pariert Felix Herholc, Keeper des NHV Concordia Delitzsch, lässig und hält damit den 21:20 (5:10)-Erfolg seiner Mannschaft fest. Damit haben die Nordsachsen, zuvor Zweiter, in diesem Spitzenspiel der Handball-Oberliga die Gäste aus Thüringen, bis dahin Erster, als Tabellenführer gestürzt und nehmen mit 18:4 Punkten nun den Platz an der Sonne ein. Ärgster Verfolger ist der HC Burgenland (17:5), der mit dem frisch verpflichteten Ex-Delitzscher Sascha Meiner (drei Tore, zwei Zeitstrafen) in Aschersleben mit 33:28 die Oberhand behält. Der HSV (16:6) rutscht auf Rang drei ab.
Die Begegnung in der Delitzscher Mehrzweckhalle vor 530 Zuschauern (Saisonrekord) erweist sich als ein denkwürdiges Ereignis: Nicht nur, weil die Nordsachsen nun Spitzenreiter sind, sondern weil der Verlauf wohl noch lange in Erinnerung bleiben wird. „So eine Partie sieht man ganz, ganz selten“, sagt NVH-Urgestein Hansi Winkler. „Das war eines der besten Spiele der vergangenen Jahre“, urteilt Herholc. Dabei war die erste Halbzeit der Concorden „grottenschlecht“, meint Thomas Hollstein. Der 43-jährige frühere Zweitligaspieler ist für den verletzten Kreisläufer Oliver Wendlandt ins Team gerückt, um Moritz Brodowski Atempausen zu verschaffen.
Die Delitzscher erwischen einen denkbar miserablen Start. Sie beißen sich an der bärenstarken Blankenburger Defensive die Zähne aus. „Wir haben es nicht geschafft, deren Defensive in Bewegung zu bringen“, kritisiert Abwehrorganisator Martin Müller. „Und unsere Wurfeffektivität war schlecht“, ergänzt Trainer Jan Jungandreas. So erzielen die Gastgeber in der ersten Halbzeit lediglich fünf Tore – eine unterirdische Ausbeute. Top- Torjäger Frank Grohmann gelingt da nichts, Fehlwürfe und Fehlpässe wechseln sich ab. In der Pause muntern Jungandreas und sein Trainer- Kollege Maik Kroke das Team auf. „Es ist noch nichts verloren“, motivieren sie mit Blick auf den Fünf-Tore-Rückstand.
Gesagt, getan. Wie verwandelt tritt das Team auf, reduziert den Rückstand Tor um Tor und geht in der 46. Minute durch einen Treffer von Daniel Sowada erstmals in Führung. Der Vorsprung wird sogar auf 21:17 ausgebaut. Im Schlussspurt beweist der frühere Blankenburger Grohmann seine Qualitäten und wird mit seinen Toren von der tragischen Figur zum Endspurt-Helden. Einige unnötige Ballverluste in den letzten Minuten machen die Begegnung nochmals spannend, doch es reicht zum von den Fans umjubelten Erfolg. „Wir haben Moral bewiesen“, kommentiert der zur zweiten Halbzeit eingewechselte Herholc, der ebenfalls einst das HSV- Trikot trug. „Das war schon ein bisschen komisch. Bei meinem ersten gehalten Ball schaute ich in alter Gewohnheit jubelnd zur Blankenburger Fan-Tribüne geschaut“, schmunzelt der Torwart. „Es ist egal, gegen wen wir gewonnen haben“, findet Müller, auch er ein Ex-HSV-Spieler. „Es ist ein schönes Gefühl, ganz oben zu stehen.“ Brodowski pflichtet ihm bei: „Das gefällt mir sehr gut.“
„Wir haben es im ersten Durchgang versäumt, unseren Vorsprung um zwei, drei Tore mehr auszubauen“, bemängelt Gäste-Trainer Igor Ardan. „Wie wir in diesem echten Spitzenspiel zurückgekommen sind, war phänomenal“, jubelt Jungandreas. Die Mannschaft entwickele sich ständig weiter und bleibe auch bei einem Rückstand ausgesprochen cool. Das ist eben das Selbstverständnis eines Titelanwärters.
Ulrich Milde, Leipziger Volkszeitung vom 25.November 2019

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