Welch ein Krimi, welch eine Überraschung: Handball- Oberligist NHV Concordia Delitzsch hat am Sonnabend Meisterschaftsfavorit SV Plauen-Oberlosa 24:23 (14:12) bezwungen. Und zwar in Plauen, wo die Hausherren zwei Jahre lang ungeschlagen geblieben waren. Zum Matchwinner des jungen Gästeteams avancierte Routinier Steve Baumgärtel, der nicht nur zum besten Schützen avancierte, sondern auch das entscheidende Tor markierte.
„Am Ende wurde unsere Leidenschaft belohnt und wir haben zu Recht gewonnen“, sagte der Held des Abends und richtete den Blick sogleich nach vorn: „Wichtig ist, dass wir jetzt nicht abheben, sondern hochkonzentriert in unser erstes Heimspiel gehen, um die beiden Auswärtssiege zu veredeln.“ So spricht ein abgezockter 35-Jähriger selbst im Moment des Triumphs, doch auch den mit allen Heilquellen gewaschenen „Baumi“ dürften diese hochdramatischen 60 Minuten in Plauen emotional erhoben haben.
„Hochklassig und temporeich“ etwa nannte Maik Kroke, eine Hälfte des NHV-Trainergespanns die Partie. Und sein Kollege Jan Jungandreas konnte „der Mannschaft nur ein wahnsinniges Kompliment machen“, erkannte aber im gleichen Atemzug: „Am Ende haben wir auch ein bisschen Glück.“ Anfangs jedoch war es das bloße Können der Delitzscher, das den Hausherren spürbar imponierte. Die Concorden traten selbstbewusst auf, trugen ihre Angriffe ebenso schnell wie diszipliniert vor – und führten nach sieben Minuten 4:1. Oberlosa hatte mit der wie schon im Auftaktspiel sehr beweglich agierenden NHV-Abwehr und einem sehr gut aufgelegten Marian Voigt im Tor seine liebe Mühe. Auch wenn die Randplauener nach einer Auszeit in der 20. Minute beim Stand von 11:7 für Delitzsch besser ins Spiel kamen, es blieb bei einem Vorsprung bis zur Halbzeit. Hochverdient ging es mit einem 14:12 für die Gäste zum Pausentee.
„Wir fanden in der ersten Halbzeit sehr konzentriert ins Spiel und haben hinten wie vorne unseren Matchplan durchgezogen, dazu hatten wir Hilfe aus dem Tor von Marian, der über das gesamte Spiel sehr gut gehalten hat“, sagte Baumgärtel. Da Plauen mit der ersten Halbzeit nicht zufrieden sein konnte, stellte sich die Frage, was lässt sich Trainer Hazl für den zweiten Durchgang einfallen?
Die Antwort war sofort zu sehen. Die Abwehr der Spitzenstädter agierte jetzt wesentlich offensiver und brachte damit den Delitzscher Angriff ins Schwimmen. Erst in der 41. Minute erzielte Concordia einen Treffer, da stand es bereits 16:15 für den Favoriten. Kippte jetzt das Spiel? Nein, da hatte die Mannschaft vom Lober etwas dagegen, wenngleich Jungandreas anschließend analysierte: „In der zweiten Halbzeit haben wir im Angriff eine Viertelstunde lang Probleme, aber selbst beim Rückstand von zwei Toren bleiben wir cool und Marian hält wichtige Bälle.“
Die Intensität der Partie nahm weiter zu, die Zweikämpfe wurden härter und jeder Ball war hart umkämpft. Spätestens als Voigt in der 46. Minute einen Siebenmeter parierte, war die Concordia wieder da. Keine Mannschaft konnte sich absetzen, auch eine umstrittene rote Karte für Abwehrchef Martin Müller (50.) brachte Delitzsch nicht aus dem Konzept. Fünf Minuten später hatte der NHV das Spiel wieder gedreht und seinerseits eine 21:20-Führung herausgespielt. Was jetzt folgte, war ein echter Handballkrimi. Die ganze Halle stand und feuerte ihr jeweiliges Team an. Plauen glich aus, Delitzsch ging wieder in Führung, zwei Minuten vor Schluss war beim Stand von 23:23 noch alles offen. Jetzt nahm Delitzsch eine Auszeit und spielte den folgenden Angriff clever aus. Exakt 13 Sekunden vor Schluss zappelte der Ball nach einem fulminanten Wurf von Steve Baumgärtel im Netz der Gastgeber, der NHV lag 24:23 vorn. Für den letzten Angriff nahmen die Plauener noch eine Auszeit und die Stimmung auf den Rängen war auf dem Siedepunkt. Verzweifelt versuchte Oberlosa, den Ball im Delitzscher Kasten unterzubringen, aber der letzte Wurf von Weikert ging über das Gebälk.
Wen man auch fragte, alle hoben nach dem Schlusspfiff die mannschaftliche Geschlossenheit der Gäste hervor. „Der Zusammenhalt im Team hat mich begeistert“, befand Delitzschs Vizepräsident Sören Raab. Und zum Geheimnis des Überraschungserfolgs ergänzte Maik Kroke: „Wir haben an uns geglaubt, waren hoch motiviert und konnten immer wieder auch Akzente im Angriff setzen.“ Doch der Coach mahnte an, bodenständig zu bleiben und schlummerndes Potenzial auszuschöpfen. „Gerade in der Einbindung unserer Außenspieler sehe ich noch Luft nach oben.“
Vielleicht klappt das ja schon am kommenden Sonnabend besser, wenn der NHV gegen Aschersleben sein erstes Heimspiel bestreitet. Dann sind die Delitzscher favorisiert, wartet Aschersleben doch noch auf den ersten Sieg der Saison, was Kroke nicht davon abhält, den Gegner als „unbequem“ zu bezeichnen.
Hartmut Sommerfeldt / Jens Teresniak, Leipziger Volkszeitung vom 9.September 2019
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