Üblicherweise verbringt Jan Jungandreas jede Woche viele Stunden in der Sporthalle. Der 32-Jährige betreut nicht nur die in der Mitteldeutschen Oberliga spielenden ersten Herren des NHV Concordia Delitzsch, sondern trainiert auch diverse Nachwuchsmannschaften. Gelegentlich läuft er noch für die zweite Männermannschaft auf. Doch da der Deutsche Handballbund vorläufig alle Partien abgesagt hat, verfügt der Delitzscher Chef-Coach über ungeahnt viel Zeit.
Die er intensiv nutzt. Anstatt Trainingspläne auszuarbeiten und Videoaufzeichnungen von Begegnungen der kommenden Gegner zu studieren, ist Jungandreas dabei, Möbel zu schleppen, zu tapezieren und zu malern. Denn er zieht gerade um. „Ich bin damit gut beschäftigt“, sagt er. Wenngleich es ihm natürlich lieber gewesen wäre, es gäbe keine Pandemie und die Saison liefe weiter. „Es gibt derzeit Wichtigeres, als Handball zu spielen oder Sport zu treiben.“
Seine Mannschaft trainiert seit vorigem Freitag nicht mehr. Das Landratsamt Nordsachsen hat alle kreiseigenen Hallen komplett gesperrt. Der NHV Concordia hat den Trainingsbetrieb für alle Mannschaften, also auch für den Nachwuchs, inzwischen eingestellt. Kontakt mit seinen Spielern hält Jungandreas jetzt vorwiegend über WhatsApp. Die Entwicklung werde permanent beobachtet. „Wir geben aber nicht jeden Tag Wasserstandsmeldungen heraus.“ Er gehe davon aus, dass seine Spieler sich in Eigenverantwortung fit halten.
Wie es mit der Oberliga-Saison weitergeht, steht noch nicht fest. Allgemein wird damit gerechnet, dass die laufende Spielzeit abgebrochen wird. Denkbar ist, dass es aus Gründen der Fairness dann keine Absteiger geben wird. Das wiederum könnte bedeuten, dass in der neuen Saison mehr als die üblichen 14 Vereine spielen werden. Aber über das Stadium der Spekulation reicht das momentan nicht hinaus.
Sollte die Saison tatsächlich jetzt vorzeitig beendet werden, dann wären die Nordsachsen wohl Meister. Denn entweder, es gilt der Stand zum Ende der Hinrunde. Und da befand sich der NHV mit 22:6 Punkten auf dem ersten Rang. Oder es wird die aktuelle Tabelle genommen. Da liegen die Concorden nur auf Rang zwei. Sie sind allerdings punktgleich mit dem Spitzenreiter HC Burgenland (je 30:12 Zähler). Die Naumburger haben zwar das bessere Torverhältnis. Doch es zählt zunächst der direkte Vergleich. Und den hat der NHV auswärts im November mit 29:23 für sich entschieden, wäre auch dann der Titelträger. Das Rückspiel sollte ursprünglich am 28. März ausgetragen werden.
Eine Meisterfeier ist trotz dieser nicht unwahrscheinlichen Variante nicht geplant. „Das hat in unseren Köpfen keinen Platz“, betont Jungandreas, dem ein Plauener Spieler bereits zum Titel gratuliert hat. Die gesamte Welt und somit auch die Delitzscher Handballer haben momentan andere Sorgen.
Was auf jeden Fall bleibt: „Wir haben eine hervorragende Saison gespielt“, meint der Cheftrainer. Zwar habe es auch das eine oder andere Tief gegeben. Aber unterm Strich habe das Team im vergangenen Dreivierteljahr „Hervorragendes“ geleistet. Eine gute Ausgangslage, um in der neuen Oberliga-Saison – ein Aufstieg ist in diesem Jahr nicht geplant – wieder ordentlich mitzumischen.
Ulrich Milde, Leipziger Volkszeitung vom 18.März 2020
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