Dienstag, 24. März 2020

Eine düstere Zukunftsvision

Es könnte jeden treffen: Die Oberliga-Handballerinnen der HSG Riesa/Oschatz, die Oberliga-Kicker des FC Eilenburg oder des FC Grimma, die Zweitliga- Volleyballer des GSVE Delitzsch. Sicher kann sich keiner fühlen. Heute sind es nur Spielabsagen, morgen und übermorgen bedrohen die langfristigen Auswirkungen der Corona-Krise womöglich die Zukunft von Mannschaften auf gehobenem Amateurniveau. Das glaubt zumindest Christian Hornig, früherer Zweitliga- Handballer und jetzt in verschiedenen Funktionen beim NHV Concordia Delitzsch tätig, und beschreibt eine düstere Zukunftsvision.
Vereine verschmerzen. Zum Genickbruch werde dafür der mögliche Verlust der vielen kleinen Sponsoren. „Wir leben als Verein von Kleinstunternehmen und dem Mittelstand. Ob die in Zukunft noch unser Hobby unterstützen können, weiß kein Mensch. In ein paar Wochen und Monaten wird nichts mehr so sein, wie es mal war. Wir und die anderen Vereine müssen gucken, wie wir da rauskommen“, sagt Hornig. „Wir sind die Hobbys der Unternehmer und die haben jetzt ganz andere Sorgen.“ Christopher Köhler sieht deshalb die Landes- und Bundespolitik in der Verantwortung. „Was wir brauchen, sind ähnliche Investitionsprogramme wie wir sie nach den Hochwasserkatastrophen der letzten beiden Jahrzehnte schon gesehen haben. Dabei können großzügige Fördermittelprogramme für den Aus- oder Neubau der vereinseigenen Infrastruktur nicht nur das aufgrund der Einnahmeverluste dieser Saison fehlende Eigenkapital der Vereine ersetzen und damit das finanzielle Minus der Vereine abfangen, sondern gleichzeitig die von der Krise getroffene Wirtschaft ankurbeln“, fordert der Vorsitzende des FSV Meuselwitz.
Und was ist mit der laufenden Saison? Vielleicht findet sich ja noch eine Möglichkeit, sie zu Ende zu bringen. „Ich glaube nicht und ich habe auch kein Verlangen danach, das irgendwie zu lösen“, erzählt Hornig und gibt zu: „Am Anfang habe ich noch gedacht, ,scheiße jetzt geht unser Aufstieg flöten‘. Das ist erst ein paar Tage her und jetzt ist an Sport nicht mehr zu denken.“ Mehr noch: „Ich habe ein Leben lang Mannschaftssport getrieben. Mehr als der Sport fehlt mir eigentlich die Geselligkeit. Und trotzdem habe ich in der jetzigen Situation keinerlei Lust darauf.“ Und dann schlägt Hornig den ganz großen Bogen, erzählt von der bedrückenden Stimmung auf Arbeit, dem plötzlichen Stillstand („Es wird ruhiger. Du merkst, die Leute sind mit sich beschäftigt.“) und fordert gesellschaftliche Konsequenzen: „Wir waren in unserem Trott, es ging immer nur höher schneller weiter. Jetzt haben wir die Quittung. Es ist höchste Zeit, darüber nachzudenken, wie wir weitermachen.“ Christian Hornig sagt aber auch: „Wir haben in diesem Land den Luxus, unserem Hobby teilweise sehr professionell nachgehen zu können.“ Vielleicht müssen wir uns in Zukunft von so manchem Luxus verabschieden – nicht nur, was den Amateursport angeht.
Am 23. August etwa wollten die NHV-Handballer ihr zehnjähriges Jubiläumsfest groß in der Schladitzer Bucht aufziehen, inklusive Turnier der Frauen und Männer. „Das ist jetzt alles nebensächlich, weil du nicht weißt, wie lange diese Krise dauert und wie wir da rauskommen.“
Johannes David, Leipziger Volkszeitung vom 21.März 2020

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