Frühere und heutige Concorden schätzen die Entwicklung des Tabellenführers der Oberliga ein und heben die kontinuierliche Entwicklung des Teams hervor. Uneinigkeit gibt es dagegen in der Frage eines möglichen Aufstiegs in die 3. Liga.
Hinrundenmeister, mit 22:6 Punkten als Spitzenreiter in die Weihnachtspause gegangen: Die Oberliga-Handballer des NHV Concordia Delitzsch haben ein fast perfektes zweites Halbjahr 2019 hinter sich - und kassieren von ehemaligen Delitzscher Spielern und Funktionären dafür viel Lob und Anerkennung.
Als „weniger überraschend“ bezeichnet der heutige Nachwuchs-Cheftrainer des DHfK Leipzig, Enrico Henoch, die Top-Platzierung. Der NHV verfüge über „qualitativ gute Spieler. Es seien offenbar „die richtigen Rückschlüsse aus der durchwachsenen vergangenen Saison gezogen“ worden. Die Nordsachsen hätten einen guten Mix aus erfahrenen und jungen ehrgeizigen Spielern und mit Steve Baumgärtel, Frank Grohmann und Benedikt Schmidt die stärkste rechte Angriffsseite der Liga.
Hinzu komme, dass Delitzsch in der Lage sei eine gute Abwehr inklusive Torhüter zu stellen, „was für den Gewinn von Meisterschaften immer der Grundstein sein sollte“. Außerdem habe die Mannschaft nach den anfänglichen Erfolgen gesehen, was sie zu leisten imstande sei. Dadurch trete sie mit „viel mehr Selbstvertrauen auf als in der vergangenen Saison.“
Ähnlich urteilt Lucas Mittag. Eine Position im ersten Drittel habe seinen Erwartungen entsprochen, so der 25-Jährige, der nach der vergangenen Saison seine Laufbahn beendet hatte. „Platz eins ist für mich dennoch überraschend.“ Concordia habe einen breiten Kader, eine motivierte Mannschaft, „die schnell die Spielideen der Trainer verstanden hat und umsetzt“.
Für Ralf Krippner, von 2003 bis 2004 Präsident des Vorgängervereins Concordia Delitzsch, wird im Klub „eine super Arbeit geleistet“. Die Mannschaft wachse nachhaltig zusammen. Gleichwohl habe ihn die Tabellenführung überrascht.
Ähnlich bewertet das Manfred Buder, von 1994 bis 2000 Concordia- Vereinschef. „Platz eins hatte ich nicht erwartet“, räumt er ein und streicht den aktuell viele Spieler umfassenden Kader heraus. Das sieht Danny Trodler ebenso. Der erste Rang sei sehr positiv, so der 33-Jährige, der nach der vergangenen Saison seine Schuhe an den berühmten Nagel gehängt hat. Die Mannschaft sei „breit aufgestellt“.
Für Ulrich Streitenberger scheint die Mischung im Team sehr gut zu passen. „Ein Steve Baumgärtel mit seinen Fähigkeiten und seiner Erfahrung ist dabei natürlich eine unglaublich große Bereicherung und kann in jedem Spiel schon einmal der Unterschied sein“, sagt der 37-jährige frühere Delitzscher Publikumsliebling, der heute im Management des Erstligisten SC DHfK Leipzig tätig ist. „Dazu die Heimstärke und der große Rückhalt der Fans – das passt.“
Dass der NHV aktuell Tabellenführer ist, „freut mich sehr“, sagt Oskar Emanuel, der für den HC Elbflorenz Dresden aufläuft. Delitzsch habe eine gute Mannschaft, „mit der man oben mitspielen kann“. Die Abwehr decke kompakt, vorne sei der Rückraum sehr torgefährlich, wodurch auch Platz für die Außen und Kreisläufer entstehe.
Franz Flemming, Torwart des Ligarivalen USV Halle, bezeichnet den Spitzenrang als teilweise überraschend. Für ihn sind der HC Burgenland und der HSV Bad Blankenburg die Meisterschaftsfavoriten. Der NHV habe gezielte Transfers getätigt, das Team teilweise verjüngt. „Das ergibt eine Mischung, dass es reichen könnte“, so er 25-Jährige.
Alexander Pietzsch, erst- und zweitligagestählter Abwehrrecke, zeigt sich wenig überrascht. „Mit Baumgärtel wurde ein Routinier geholt, der den Laden zusammenhält“, betont der 43-Jährige. Das Team verfüge über eine gute Mischung aus Jung und Alt.
„Schön, dass es so ist“, freut sich Rico Göde. Der NHV habe eine gute Mischung zusammen. Die erfahrenen Spieler wüssten, wie in schwierigen Situationen im Spiel richtig gehandelt werde. „Aber auch die Unbekümmertheit der jüngeren im Team hilft sehr“, so der heutige Trainer des Zweitligisten HC Elbflorenz.
Wer an der Spitze steht, muss mit der Meisterschaft rechnen. Und was wäre mit einem Aufstieg in die dritte Liga? „Das ist noch kein Thema, das wäre zu früh“, meint zwar Trainer Jan Jungandreas. Doch Buder hält dagegen: „Wenn die Chance da ist, muss man sie nutzen.“ Für Flemming, der selbst schon in der dritten Liga aktiv war, ist ebenfalls klar: „Man sollte es machen.” Zwei, drei Transfers wären allerdings nötig.
Sollte der Aufstieg gelingen, wäre das die logische Konsequenz aus der kontinuierlichen engagierten Arbeit seit der Neugründung 2010, findet Streitenberger. Ob das dann zu früh oder genau richtig erfolgen würde, „kann ich nicht einschätzen“. Ein Aufstieg aber wäre auf jeden Fall sportlich und strukturell eine wirklich große Herausforderung. „Für die Stadt und die Menschen wäre dies aber auf jeden Fall ein großer Gewinn.“ Und vielleicht sei dann auch der eine oder anderen talentierte DHfK- Nachwuchsspieler, der den ganz großen Sprung nicht geschafft hat, demnächst beim NHV zu finden.
Differenziert äußert sich Emanuel. „Die Fans und die Halle wären ein Gewinn für die dritte Liga.“ Aber die Fahrten würden um einiges länger und es gebe kaum Derbys. „Da muss man abwägen, ob alle den Mehraufwand stemmen können.“ Göde sagt, er würde sich freuen, wenn es am Ende funktioniert und wäre auch einer der ersten Gratulanten. „Fakt ist, man muss auch wissen was da auf einen zukommt: sehr wenig Derbys, höhere Kosten“, so der ehemalige Nationalspieler. „Also gilt es auch für den Verein, hart dran zu arbeiten.“
Ansonsten überwiegt Zurückhaltung. „Insgesamt würde es dem Delitzscher Handball sicherlich gut tun“, erklärt zwar Henoch. „Aber ich glaube, dass dies noch ein oder zwei Jahre zu zeitig wäre.” Zunächst sollten die Strukturen im Umfeld weiter verbessert und professionalisiert werden. Dazu gehörten die wirtschaftlichen Strukturen an sich und auch mehr Manpower im Umfeld. Oben drauf komme die Anschlussförderung der zweiten Mannschaft, in der junge Spieler den Anschluss an die erste Mannschaft schaffen könnten.
„Der Schritt wäre zu früh“, schätzt auch Mittag ein. Wichtig sei, den fantastischen Delitzscher Fans die Spiele zu liefern, die sie verdienten. „Und das klappt doch in der ausgeglichenen 4. Liga sehr gut!“ Mahnend äußert sich Krippner. „Der Sprung von der Oberliga in die dritte Liga wäre ungleich größer als der von der Sachsen- in die Oberliga“, gibt er zu bedenken. „Es wäre schwer, in der dritten Liga zu bestehen.“ Von einem „qualitativ großen Sprung“ spricht Trodler. Wegen der vielen Derbys sei die Oberliga viel attraktiver. „Es wäre zu früh“, findet Pietzsch. Die dritte Liga erfordere schließlich sehr viel mehr Geld.
Ulrich Milde, Leipziger Volkszeitung vom 4.Januar 2020
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