Es war ein denkwürdiger Handballsamstag im fast ausverkauften Delitzscher Kultur- und Sportzentrum. Etwa 750 Zuschauer sahen ein hochemotionales, unfassbar intensives Sachsenliga-Spitzenspiel zwischen den Hausherren des NHV Concordia und dem bisherigen Primus LHV Hoyerswerda. In einer dramatischen Schlussphase brachten die Gastgeber den 22:21-Sieg über die Ziellinie, weil der ohnehin herausragende Gábor Pulay im Kasten den letzten Wurf der Gäste entschärfte. Der Rest ging im kollektiven Jubel unter. Der NHV grüßt wieder von Platz eins und hat die Meisterschaft nun in den eigenen Händen.
Trainer Christian Hornig wirkte nach dem Abpfiff gelöst, ja fast schon erlöst: „Wir haben ein richtig gutes Spiel gemacht, gerade in der Abwehr. Da haben wir ein funktionierendes System und mit Gábor einen großen Rückhalt.“ Nur ganz so spannend hätte das Spiel aus Trainersicht nicht sein müssen. „Wir belohnen uns zu oft nicht, hauen die Dinger in die Prärie. Das ist natürlich auch Nervensache. Wir haben nun einmal viele junge Leute dabei.“ Aber auch einige alte Haudegen. So wurde abermals Stefan Voigt reaktiviert, blieb diesmal jedoch angeschlagen 60 Minuten auf der Bank.
Damit gab mal wieder Marcel Ulrich den Alterspräsidenten der Hausherren. Selbst „Ulle“ ließ sich von der lautstarken Kulisse beeindrucken. Als er völlig frei in den Kreis segelte und den Ball aus fünf Metern per Aufsetzer vier Meter übers Tor drosch, passte das zur hektischen Anfangsphase seiner Mannschaft. Glücklicherweise ging auch Hoyerwerda fahrlässig mit den Chancen um, so dass es nach zehn Minuten gerade einmal 1:3 stand. Jetzt zog das Tempo deutlich an. Delitzsch kaum ins Laufen und ging nach einer Viertelstunde erstmals in Führung. Von nun an wogte die Partie hin und her wie das Hochgeschwindigkeitsspiel der Concorden, zwischen Genie und Wahnsinn, zwischen technischen Fehlern und grandiosen Kombinationen. „Ruhig können wir nicht“, meinte Hornig. So ging nach einem teils wilden Schlagabtausch mit 13:13 in die Pause.
Ein Remis würde dem NHV freilich nicht zur Tabellenführung reichen und so trat das Team nach dem Wechsel noch entschlossener auf, führte fast die gesamte zweite Halbzeit lang, ehe die Gäste sechs Minuten vor dem Ende zum 20:20 ausglichen. Die letzten Zuckungen der Partie gehörten zu den nervenaufreibendsten Darbietungen der jungen NHV- Vereinshistorie. Die Begegnung war zu diesem Zeitpunkt an Verbissenheit und Einsatz kaum noch zu überbieten. Zahllose Unterbrechungen und Zeitstrafen ließen den Spielfluss zerbröseln. Lukas Mittag musste nach einem Schlag ins Gesicht vom Linoleum. Den Überblick im Chaos behielt NHV-Spielmacher Patrick Baum, der die letzten beiden Treffer seiner Mannschaft erzielte, selbst nach einem vergebenen Siebenmeter die Ruhe bewahrte. „Ich habe gemerkt, dass sie recht defensiv stehen und einfach immer wieder versucht, zu werfen“, erklärte Baum das vergleichsweise simple Erfolgsrezept. Vor allem aber hing der Triumph an der überragenden Delitzscher Defensivleistung. „Wir haben gekämpft wie die Schweine“, sagte Julius Hartmann. Mehr als das: Kurz vor dem Ende warf sich Thomas Grafe in seinen Gegenspieler, um den Ausgleich zu verhindern, sah logischerweise die Rote Karte. Vier Sekunden und ein Freiwurf blieben Hoyerswerda, um doch noch einen Punkt mitzunehmen. Ausgerechnet der bis dahin völlig glücklose Lukasz Stodtko bekam den letzten Wurf – und scheiterte an Pulay. Es war gleichzeitig der Kulminations- und Schlusspunkt einer Partie, deren Protagonisten man den Druck anmerkte.
Zum großen Ziel Oberliga-Aufstieg fehlen der Concordia noch zwei Schritte. Am Sonnabend geht es zum HC Elbflorenz II, ehe zum Saisonabschluss am 24. April Koweg Görlitz, das auch noch Chancen auf die Meisterschaft hat, am Lober gastiert. Aber mit dramatischen Schlussphasen kennen sie sich in Delitzsch ja mittlerweile bestens aus.
Johannes David, Leipziger Volkzeitung vom 11.April 2016
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