Die Nachricht kam zu früher Stunde und sie hatte es in sich. Am Sonntagmorgen um 5:19 Uhr trudelte im elektronischen Postfach des NHV-Geschäftsstellenleiters Frank Bönke eine E-Mail ein, deren Betreff „Urteil Rechtsverfahren“ nichts Gutes verhieß. Rückblick: 7. März, Kultur- und Sportzentrum Delitzsch. Die letzte Spielminute läuft. Im Verfolgerduell des Tabellendritten Delitzsch gegen den Zweiten aus Radeburg steht es 26:26, als NHV-Linksaußen Malte Unkell ein Zuspiel seines Kollegen Lucas Mittag verwandelt und unter dem tosenden Applaus des heimischen Publikums mit seinem achten Treffer auf 27:26 erhöht. In der Schlusssekunde schließlich vereitelt NHV-Torhüter Max Neuhäuser den letzten Angriff der Gäste. Das Spiel ist aus, der Delitzscher Jubel bricht sich Bahn, das Siegerbier fließt in Strömen. Der NHV Concordia Delitzsch klettert auf Platz 2, Radeburg fällt mit einem Punkt weniger noch hinter Hoyerswerda auf Platz 4 zurück. So weit, so gut. Dachte man in Delitzsch. So weit, so ungerecht. Dachte man sich beim TSV in Radeburg und legte drei Tage später ganz offiziell Einspruch gegen die Wertung des Spiels ein. Diesem wurde nun vom Sächsischen Handballverband per Eilentscheid stattgegeben und ein Wiederholungsspiel angeordnet, das kurzfristig – nämlich noch vor dem Saisonende Ende April – auszutragen ist. Doch warum das Ganze? Noch einmal Rückblick in die letzte Spielminute. Dem vermeintlichen Delitzscher Siegtreffer geht ein vom Radeburger Torhüter Stefan Friebe abgewehrter Delitzscher Fehlversuch voraus. Ein Radeburger Spieler versucht daraufhin, den von Friebe abgeprallten Ball rechtzeitig vor dem Seitenaus unter Kontrolle zu bringen, was ihm nach Ansicht der Schiedsrichter misslingt, die folgerichtig Einwurf für Delitzsch pfeifen. Dennoch legt Gästetrainer Martin Hrib in diesem Moment die grüne Karte auf den Tisch des Kampfgerichts, das daraufhin Auszeit für Radeburg pfeift. Diesen Pfiff nehmen in der aufgeheizten Halle, in der die Trommler beider Seiten bis zur letzten Sekunde um die akustische Hoheit kämpfen, allerdings weder Spieler noch Schiedsrichter wahr, so dass Malte Unkell in der nächsten Sekunde das spielentscheidende Tor erzielt, ehe der zweite Pfiff des Kampfgerichts schließlich doch vom Schiedsrichter erhört wird, der das Spiel daraufhin Sekunden vor dem Abpfiff für die letzte Radeburger Auszeit unterbricht. Nach Auswertung der Stellungnahmen aller Beteiligten entschied das Verbandsschiedsgericht nun auf Annullierung und Wiederholung des Spiels. Entscheidend hierfür dürfte wohl gewesen sein, dass vom Kampfgericht Auszeit gepfiffen und daraufhin die Uhr angehalten wurde. Auch wenn es sich hierbei möglicherweise um eine irreguläre Entscheidung gehandelt haben sollte, hätte dies laut Regelbuch umgehend zwischen Kampfgericht und Schiedsrichtern geklärt werden müssen. Dies blieb in der Hitze des Gefechts aus und rechtfertigt nun nach Ansicht des Schiedsgerichts eine Neuansetzung. NHV-Trainer Michael Schneider kann juristischen Spitzfindigkeiten naturgemäß wenig abgewinnen und reagierte gestern zwar überrascht, aber auch pragmatisch: „Auch wenn ich die Sache etwas anders sehe, hilft nun kein Jammern und kein Ärgern. Der Verband hat so entschieden und dann müssen wir eben noch einmal spielen“, so Schneider, der sogleich den Finger in die Wunde legte, als er ergänzte: „Spannend wird sein, wann und wo dieses Spiel stattfinden soll.“ Dazu muss man wissen, dass das einzige spielfreie Wochenende vor dem Saisonende das Osterwochenende ist. Da die Feiertagsruhe – auch mit Blick auf die Urlaubspläne der Sportler – gewahrt bleiben soll und auch die Möglichkeit eines Doppelspielwochenendes wegen der enormen körperlichen Belastungen auf keinerlei Sympathien stößt, läuft es nach Lage der Dinge auf ein Spiel unter der Woche hinaus, vermutlich innerhalb einer regulären Trainingseinheit. NHV-Geschäftsstellenleiter Frank Bönke obliegt nun das Kunststück, die größtmögliche Schnittmenge zwischen allen relevanten Dienst- und Hallenbelegungsplänen zu finden und schnellstmöglich einen neuen Spieltermin aus dem Hut zu zaubern. Nicht ausgeschlossen, dass dieses Spiel der Delitzscher Sporthallennot gehorchend nach Leipzig verlegt werden muss. Wenn es denn überhaupt stattfindet, denn selbstverständlich steht dem NHV-Vorstand frei, Widerspruch gegen das Urteil des Schiedsgerichtes einzulegen.
Jens Teresniak, Leipziger Volkszeitung vom 24.März 2015
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