Ob es an den gefühlten Minusgraden in der Becker-Halle lag? Der NHV Concordia Delitzsch tat sich jedenfalls am Sonntagabend eine Halbzeit lang beeindruckend schwer gegen den Tabellenvorletzten der Handball-Sachsenliga. Am Ende wurde der HSV Lok Pirna Dresden II in einer zerfahrenen Partie trotzdem mit 28:25 (10:10) nidergestreckt.
Nicht wenige Zuschauer ließen die Daunen-Kutte gleich an. NHV-Neuzugang Sebastian Greß bedeckte sich auf der Bank mit jedem greifbaren Kleidungsstück. Selbst Trainer Michael Schneider, der für gewöhnlich im T-Shirt am Spielfeldrand steht, hüllte den astralen Körper in ein Sportjäckchen. Seine Mannschaft fror derweil in der ersten halben Stunde schier auf dem Parkett fest, leistete sich ungewohnte Ungenauigkeiten in der Offensive und warf fast schon gewohnheitsmäßig beste Möglichkeiten zum Teufel. Während sich einige einen Glühweinstand auf der Tribüne herbeisehnten, verging sich der Coach an der unschuldigen Sprossenwand und versetzte dem gelackten Gehölz einen Tritt unter die Gürtellinie.
Hinterher war von der Aufregung kaum noch etwas zu spüren, bezeichnete Schneider den Auftritt in der ersten Halbzeit als "schwierig, weil die Mannschaften uns kennen, ihre Angriffe ausspielen". Sprich, Dresden ließ sich Zeit und schlug in dem Moment zu, da die NHV-Abwehr gerade am Wegnicken war. Besonders in Gestalt von Robert Düsel, der immer wieder unbehelligt aus dem Rückraum zuschlug. Aber, wie das Handballerleben manchmal eben so spielt, brachte der zweite Durchgang massive Änderungen.
Die Concordia-Defensive stand plötzlich felsenfest, womöglich durch die Hereinnahme von Aggressor Frank Bönke. Dazu parierte Schlussmann Steve Müller mehrfach prall. "Das war der Schlüssel zum Erfolg", sagte Schneider. Lok fand den Dosenöffner nicht mehr, brachte in der Anfangsviertelstunde nach dem Wechsel exakt ein Tor zu Stande. Delitzsch kam ins Laufen und zog hinfort. Beim Stande von 22:16 in Minute 53 war das Spielchen praktisch entschieden, trotz weiterer vergebener Großchancen. Nur die Schiedsrichter wollten offenbar auch noch mal im Mittelpunkt stehen, brachten mit wundersamen Entscheidungen die Volksseele zum Kochen, was angesichts der Kälte womöglich einfach nur nett gemeint war. NHV-Mannschaftsleiter Sören Raab fand's eher gruselig: "Für jeden Schrott geben die zwei Minuten." Und Sebastian Greß bemerkte in seinem zweiten Spiel im Herrenbereich überhaupt: "Schon interessant, was hier gepfiffen wird."
Dummerweise ließen sich die Hausherren davon beeinflussen, so dass die Schlussminuten unnötig hektisch hinunter tickten, immerhin keine sichtbaren Spuren hinterließen. Dennoch haderte Michael Schneider. "Wir beschäftigen uns zu sehr mit den seltsamen Pfiffen, statt abgeklärt aufzutreten." Als Zugabe verteilte der Trainer noch einen Rat an alle Beteilgten: "Wir müssen von dem Denken wegkommen, dass wir hier Mannschaften an die Wand spielen." Und sei es nur die Sprossenwand.
Johannes David, Leipziger Volkszeitung vom 28.Januar 2014
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