Dieser Samstagabend war nichts für Handball- Feingeister, dafür aber intensiv vom ersten bis zum letzten Schweißtropfen. Und weil das packende Sachsenliga- Spitzenspiel zwischen dem NHV Concordia Delitzsch und dem Zwickauer HC Grubenlampe keinen Verlierer verdient hatte, hieß es nach 60 dramatischen Minuten 24:24 (10:11). Obendrauf gab es sogar noch eine kleine "Verlängerung" der seltenen Sorte.
Zum Klang der Schlusssirene nahm ZHC-Fels Michael Hätterich den heran torpedierenden NHV-Kiesel Jacob Schlichter an der Mittellinie auf die Hörner. Das sah übel aus und brachte die Volksseele zum Sieden. Beide Mannschaften, Trainer, Betreuer und sogar ein paar nicht angeleinte Zuschauer stürmten das Parkett. Ungezogene Wortfetzen flogen - aber zum Glück keine Fäuste. Als der Dampf wieder runter war vom Kessel, die Nervenbahnen beruhigt, ergriff Heimtrainer Michael Schneider das Wort, kommentierte die Zugabe nüchtern: "Das war eigentlich ein Allerweltsfoul, aber nach so einem Spiel kochen eben die Emotionen hoch."
Und was war das für ein Spiel! Die Delitzscher krochen praktisch die gesamte zweite Halbzeit ein, zwei Törchen hinterdrein. Doch vier Minuten vor Ende Gelände gelang Jan Jungandreas der erste Ausgleich seit gefühlten Äonen (23:23). Die restlichen 240 Sekunden verbrachten die Hausherren damit, goldig glänzende Chancen auszulassen. Jungandreas versemmelte einen Konter, Marcus Leuendorf warf aus der Ferne einmal auf die Latte und einmal ins Nirwana.
Für so viel Gastfreundschaft bedankte sich Zwickaus Kreisläufer-Bär Oliver Meyer mit dem 23:24. Eine halbe Minute vor dem Ende schien der Heimnimbus überholt. Die Grubenlampen (angesichts ihrer Staturen passt der Begriff Flutlichtmasten wohl besser) waren in Ballbesitz, mussten nur noch das machen, was sie am besten können - die Uhr herunter spielen.
Doch dann tauchte Matthias Strehle aus der Tiefe des Raumes auf, stahl die Pille und Jungandreas netzte den Konter zum Endstand ein. Dann brach das Kurzzeit-Chaos aus. Strehle scherte sich wenig später nicht mehr drum. Schließlich hatte er in seinem ersten Spiel seit Monaten eine brandstarke Leistung aufs Parkett geschmiedet: "Für mich war das heute befreiend. Nach der langen Auszeit bin ich jetzt einfach nur glücklich."
Michael Schneider hingegen wusste nicht recht, ob lachen oder heulen, saß nach dem Abpfiff minutenlang mit versteinerter Miene auf der Bank. "Da kommen heute viele Faktoren zusammen." Sprachs und zählte einige auf: vergebene Möglichkeiten, nicht genutzte Lücken, aber auch Glück, dass Meyer mit der letzten ZHC-Großchance an Stephan Sarközi im Kasten scheiterte. Den Auftritt der Unparteiischen wollte der Coach dagegen am liebsten in den Mantel des Schweigens hüllen, rang sich dann immerhin ein "sie haben nicht gerade zur Beruhigung des Spiels beigetragen", ab. Und damit indirekt das unschöne Schlussszenario herauf beschworen.
Johannes David, Leipziger Volkszeitung vom 8.April 2013
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