Einer machte nicht mit. Als die Oberliga- Handballer des NHV Concordia Delitzsch nach dem Schlusspfiff einen Kreis bildeten und hüpften, stand Clemens Schlegel notgedrungen in der Mitte und verharrte bewegungslos mit bandagiertem Knöchel. Die Freude überwog den Schmerz, denn die Gastgeber hatten zuvor den Tabellenzweiten HG 85 Köthen überraschend mit 29:26 geschlagen. „Das war heute definitiv ein harter Kampf“, sagte Schlegel. „Die Mannschaft hat am Ende das Ruder herumgerissen.“
Mit dem doppelten Punktgewinn festigten die Nordsachsen mit 16:14 Punkten den sechsten Tabellenplatz und fuhren den vierten Sieg in Folge ein. Die Köthener mussten nach dreizehn ungeschlagenen Begegnungen erstmals wieder den bitteren Geschmack der Niederlage herunterschlucken. Was Coach Svajunas Kairis, der am Sonnabend die Trainer- gegen die Spielerbank tauschte und auch ein Tor erzielte, nicht ganz gelang. „Wir hatten mehrere Ausfälle zu verkraften“, sagte er. Aber ausschlaggebend für die Niederlage seien die beiden Schiedsrichter Max Reimann und Stanislav Schukin aus Magdeburg gewesen: „Sie haben uns in der entscheidenden Phase das Genick gebrochen.“
Eine recht eigenwillige Sichtweise. Denn das Team aus der Welthauptstadt der Homöopathie – deren Begründer Samuel Hahnemann wirkte dort viele Jahre – teilte in der Abwehr nicht mit human homöopathischen Dosen aus, sondern ging extrem hart zur Sache. Concorden-Kreisläufer Schlegel dürfte froh gewesen sein, dass der Verein offenkundig auf Top-Qualität bei den Trikots geachtet hatte, denn seines überstand die unzähligen Reißproben unbeschadet. Neben Schlegel verletzte sich auch Sascha Meiner nach einem Köthener Foul, humpelte zunächst vom Platz, kehrte aber kurz danach zurück. „Das war pures Adrenalin, ich wollte unbedingt weiterspielen.“ Verständlich, denn mit neun Treffern war er der erfolgreichste Werfer des Abends. Die Gäste kassierten sieben Zwei- Minuten-Strafen, Martin Lux sah in der 36. Minute sogar glatt Rot. Dagegen wurden die Delitzscher von den konsequent und ausgewogen leitenden Unparteiischen nur viermal mit einer Zeitstrafe belegt.
Mehrere Ausfälle hatten auch die Gastgeber zu verzeichnen. Patrick Baum wird wegen einer Knieverletzung noch bis März fehlen, Tobias Bauske (Knie) konnte gegen Köthen ebenfalls nicht mitmischen, Jörg Reimann war beruflich verhindert. Doch davon ließ sich der NHV nicht beeindrucken. Dank der vorherigen drei Siege in Folge war das Selbstvertrauen deutlich sichtbar gestiegen. So entwickelte sich von Beginn an eine packende und zunächst ausgeglichene Partie. Der Tabellenzweite ging in Führung, prompt glich Delitzsch aus. So ging es bis zu 22. Minute. Oskar Emanuel brachte mit seinem Treffer zum 12:11 die Heimmannschaft das erste Mal in Front – und plötzlich lief es noch besser. Bis zur Halbzeit baute Delitzsch den Vorsprung auf 16:12 aus. Die Überraschung lag also in der Luft.
Doch danach stellte Köthen seine Routine und Klasse unter Beweis. Angetrieben von den Außenspielern Stefan Luther (links, sieben Tore) und Steven Just (rechts, sieben Tore) kämpften sie sich heran und lagen in der 48. Minuten beim Stand von 20:21 wieder vorn. „In dieser Phase haben wir etwas den Faden verloren“, räumte NHV-Trainer Wladimir Maltsev ein. „Doch wir haben uns super zurückgekämpft“, lobte Danny Trodler seine Mannschaft, die den Spieß wieder umdrehte.
„Wir wollten unbedingt gewinnen und haben eine super kämpferische Leistung hingelegt“, meinte auch der 20-jährige Daniel Sowada, der drei Minuten vor Abpfiff für das wichtige 26:25 sorgte. Bezeichnend, dass der nur ein Jahr ältere Jonas Meiner den Vorsprung wenig später entscheidend auf 27:25 ausbaute. „Auch unsere jüngeren Spieler haben Verantwortung übernommen“, freute sich Maltsev. Die Mischung habe gestimmt. Richtig, denn den Schlusspunkt in allerletzter Sekunde zum 29:26 setzte mit Abwehrorganisator Oliver Wendlandt dann ein 31-Jähriger.
Ulrich Milde, Leipziger Volkszeitung vom 29.Januar 2018
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