Das war die vielleicht großartigste Leistung einer großartigen Mannschaft. Vor etwa 400 völlig losgelösten Zuschauern im Kultur- und Sportzentrum konnte selbst die Handballwelt- Verschwörung den NHV Concordia Delitzsch am Samstagabend nicht aufhalten. Mit 26:23 (12:9) erlegten die Mannen um Trainer Michael Schneider die HSG Neudorf/Döbeln und übernahmen Tabellenplatz vier der Sachsenliga. Dabei war die Personalnot derart groß, dass völlig aus dem Nichts Concordia-Ikone Wladimir Maltsev seine triumphale Rückkehr feierte. Dem Comeback des Jahrzehnts ging allerdings eine mehr als fragwürdige Ouvertüre voraus. Noch am Freitag versuchte der NHV aus Mangel an Spielern die Partie abzusagen. Staffelleiter Helmut Hertel lehnte ab, ließ telefonisch nach Vereinsangaben verlauten: "Dann spielt ihr eben in Unterzahl." Um die Pikanterie mit Zuckerguss zu überziehen, muss man wissen, dass Hertel Mitglied des SV Plauen-Oberlosa ist. Ebenjener SVP bekleidet momentan das Amt des Spitzenreiters der Sachsenliga. Noch Minuten nach Spielschluss bestieg Michael Schneider angesichts dieser Umstände die verbale Palme: "Es war eine bodenlose Frechheit, unter welchen Umständen wir ins Spiel geschickt wurden." Und so gab sich Maltsev, der 2009 seine Karriere beendet hatte, die Ehre. Als der inzwischen 44-Jährige in der 17. Minute das Linoleum betrat, schepperte das KSZ wie dereinst in Liga zwei. "Das war spektakulär. Ich hätte mir nie vorgestellt, dass ich noch einmal spiele", sagte Maltsev. Die geschmeidige Legende fügte sich unerwartet gut ins Spiel ein, überzeugte als Vollstrecker und Vorbereiter. Einer der Nutznießer war Malte Unkell (20), der mal eben die Hälfte aller NHV- Buden warf. "Eigentlich lief alles gegen uns. Wir konnten nur volle Kanone spielen", bekannte der Junior hinterher und hatte Recht. Die mannschaftliche Geschlossenheit machte an diesem Abend den Unterschied. Die einzige Idee der Gäste hieß über weite Strecken Alexander Bairich. Den wurfgewaltigen Spielmacher bekamen die Concorden selten in den Griff. Ganz anders erging es auf der Gegenseite Torjäger Jan Jungandreas. Der wurde von der ersten Sekunde an gejagt. Mitte der ersten Halbzeit hatten die HSG-Häscher ihr Ziel erreicht und die Nase des Linksaußen zu Brei geschlagen. In Durchgang zwei kam er noch einmal zurück, nur um zehn Minuten vor dem Ende endgültig ausgeschaltet zu werden. In der Schlussphase überschlugen sich die Ereignisse endgültig. In Minute 52 kassierten die Hausherren beim Stand von 20:20 eine umstrittene doppelte Unterzahl. Das schien der K.o.-Schlag zu sein. Doch statt zusammenzuklappen wie ein Schilfrohr im Orkan, führten die Delitzscher zwei Minuten später mit 21:20. Ausgerechnet Defensivminister Frank Bönke, selbst erst vor ein paar Wochen aus dem Ruhemodus geholt, traf. Danach übernahm Küken Unkell Verantwortung und zimmerte wie selbstverständlich noch schnell zwei Siebenmeter in die Maschen. Selbst sein sonst so besonnener Trainer gab sich kurz dem Überschwang hin: "Das war nicht alltäglich von Malte." Der Rest der Begegnung ging im Jubel eines einmaligen Abends unter. Apropos einmalig, kommen Sie noch einmal zurück, Herr Maltsev? "Nur, wenn noch mal eine Grippewelle kommt."
Johannes David, Leipziger Volkszeitung vom 8.Dezember 2014
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen