Wladimir Maltsev erzählt von einer magischen Handball-Nacht im Kultur- und Sportzentrum Die Sensation war erst vier Stunden vor Anpfiff perfekt, dann stand die Rückkehr von Wladimir Maltsev, 44, aufs Handball- Parkett fest. Fünfeinhalb Jahre nach dem Ende seiner Karriere blieben der Concordia-Legende also exakt 240 Minuten Vorbereitungszeit, um sich auf die Delitzscher Sachsenliga-Partie gegen Neudorf/Döbeln einzustellen (wir berichteten). Was dann passierte, dürfte für immer im Gedächtnis haften bleiben - nicht nur wegen Maltsev, sondern wegen der unfassbaren Energieleistung der Mannschaft, die mit lediglich acht verbliebenen Feldspielern den Gegner aus den Angeln hob. So richtig Fahrt nahm die Partie auf, als der Altmeister zur Tat schritt. "Alle waren unter Schock, die Zuschauer, die Mannschaft und ich. Unglaublich, wie uns die Halle angetrieben hat", beschrieb der in unzähligen Schlachten gestählte Maltsev die unbändigen Ereignisse. Dabei war er sich des Höllenritts im Vorfeld wohl bewusst, Zweifel nagten am Gemüt des russischen Bären. "Ich dachte, es wird schlimmer. Wir haben schließlich nie zusammen trainiert. Natürlich gab es ein paar Missverständnisse." Weil es die immer gibt, sahen allen Beteiligten darüber hinweg. Schließlich können Details manchmal furchtbar uninteressant sein, überstrahlt vom großen Ganzen. "Ich kann einfach nur Danke sagen, dass Wladi sich in dieses Fegefeuer geworfen hat", bekannte etwa NHV- Trainer Michael Schneider. Wie Maltsev mit dem Feuer spielte, das können wohl nur wenige. Die eleganten Bewegungen, das Auge für freie Räume und Mitspieler. Und natürlich - die Tore: Als "Malya", keine fünf Minuten auf dem Parkett, zwei Gegenspieler vernaschte und das 8:5 markierte, schien alles wie früher. "Körper und Kopf haben nichts vergessen", erzählte Maltsev. Und so wurde die Krankheitswelle zur Antriebswelle für Spieler und Fans, die an diesem Abend fast das Kultur- und Sportzentrum aus seinem Fundament brüllten, trommelten und klatschten. Junior Malte Unkell, 20, dem sensationelle 13 Treffer gelangen, staunte Bauklötze über den älteren Herren an seiner Seite: "Er hat seine ganze Erfahrung ausgespielt." Maltsev fand Lücken, wo eigentlich keine waren, reckte nach seinem zweiten Tor gar die Faust gen Himmel. Dass er im zweiten Durchgang kürzer treten musste, war nur logisch. "Ich habe ohne Kondition gespielt." Schon während der Erwärmung atmete der 44- Jährige mehrfach ganz tief durch. Und dann war da noch ein Handball- spezifisches Problem. Wenn er alle zwei Wochen mal zum Spielgerät greift, dann ohne Klister - jenes Harz also, dass ab einem gewissen Niveau zur Grundausstattung gehört. Ohne Vorbereitung und entsprechende Hornhaut aber reißt der Klebstoff die zarte Haut von den Fingern, so dass Maltsev die Begegnung mit offenen Wunden zu Ende brachte. Und wie! Nur einer erlebte an diesem Abend ein kleines Debakel, zumindest was die persönlich Statistik angeht. Torschützenkönig Jan Jungandreas erzielte exakt null Tore. Das hatte zwei Gründe. Zum einen musste der 27-Jährige nach langer Zeit mal wieder auf halbrechts spielen, zum anderen kam er nach intensiver Behandlung seiner Gegenspieler nur auf eine halbe Stunde Einsatzzeit und verließ das Parkett mit blutender Nase.
Johannes David, Leipziger Volkszeitung vom 9.Dezember 2014
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