Samstag, 18. Oktober 2014

NHV - SG Leipzig/Zwenkau 27:26 (14:10)

Auferstehung im Oktober

Gänsehaut und Geisterbahn: Der NHV Concordia Delitzsch hat sich und seine Anhänger am Samstagabend vom Paradies durch die Hölle und wieder zurück geleitet. In einer episch-nervenzerfetzenden Schlussphase brach die Mannschaft von Trainer Michael Schneider die Spielgemeinschaft Leipzig/Zwenkau entzwei. Mit 27:26, nach einer 14:10-Pausenführung. Der Sieg sorgt vor der dreiwöchigen Pause für die dringend benötigte Sauerstoffzufuhr und Tabellenplatz vier in der Handball-Sachsenliga. Schnauf!
"Hut ab, wie sich die Jungs zurückgekämpft haben. Man hat gemerkt, dass unheimlicher Druck drauf war, den Jungs das im Nacken saß, was in den letzten drei Wochen passiert ist", sagte Schneider. Die jüngste Verletzungs- und Abwanderungswelle hinterließ exakt neun Feldspieler auf dem Formular, darunter ein gerade erst reaktivierter Geschäftsstellenleiter (Frank Bönke) und ein Kapitän, der wegen seiner angeschlagenen Schulter eigentlich gar nicht werfen kann (Marcus Leuendorf), was die Gegner glücklicherweise ja nicht wissen. Man könnte über diesen Abend unzählige andere Geschichten erzählen. Zum Beispiel jene von der entscheidenden Parade Max Neuhausers. Zehn Sekunden vor Schluss stand der Torhüter goldig und fischte den Ball aus dem kurzen Eck. Oder, oder, oder. Egal, was man erzählt. Es bleiben Bruchstücke einer atemberaubenden Begegnung, die seitenweise Papyrus wert wäre.
Beginnen wir vielleicht mit einer Auferstehung im Oktober. "Ulle war nach 35 Minuten tot", sagte Schneider und meinte Marcel Ulrich. Doch unbeeindruckt vom Sensenmann machte die NHV-Kreislauf-Maschine weiter, knetete jedoch auffallend häufig die eigene Wade. Den anschließenden Siegestanz der Kollegen verweigerte der Unterschenkel ganz. Allerdings möchte man beim Delitzscher Koloss auch ungern Wade sein und dessen geschätzte 90 Kilo blanken Stahl 60 Minuten durch die Gegend wuchten. Und: Trotz seines zwischenzeitlichen Ablebens spielte der 34-Jährige durch. Das können wahrlich nicht viele.
Zwei andere Leistungsträger mühten sich lange vergebens. Jan Jungandreas schien blockiert, vergab zirka fünf Hundertprozentige, traf nur per Siebenmeter. Danny Trodler, wegen permanenter Manndeckung auf Linksaußen beordert, fand keine rechte Bindung zum Spiel. Doch in der Schlussphase wurden die beiden Herren zu Schlüsselfiguren, warfen die entscheidenden Tore.
In Halbzeit eins aber schnappte sich ein blutjunges Duo die Verantwortung: Lucas Mittag und Malte Unkell. Selbst als Methusalem Gabor Pulay (44) in der alten Heimat nach 20 Minuten das SG-Gehäuse enterte, pfiffen ihm bis zur Pause die Bälle nur so um den Gehörgang. "Munkell" (zusammengerechnet vier Jahre jünger als Pulay) verpassten dem Ungarn eine neue Frisur, oder zumindest ein paar graue Haare mehr. Die sprossen nach dem Wechsel allerdings auch aus den Häuptern von Michael Schneider und Co. Der zweite Durchgang begann mit drei Gegentoren und zwei Minuten für Mittag - der Ritt in der Geisterbahn begann. Spätestens zehn Minuten vor dem Ende schienen die Hausherren klinisch tot, Zwenkau führte mit 23:20. Auf der Tribüne litt Spielgestalter Ivo Doberenz Höllenqualen und zwar nicht wegen seiner verletzten Schulter, sondern wegen des offensichtlichen Kopf-Problems der Kollegen: "Das sind die Auswirkungen der letzten Spiele, als wäre ein Schalter in den Köpfen gekommen." Zum Glück fand der NHV noch den Umlenk-Hebel. Und Neuhäuser stand zur rechten Zeit am rechten Ort.
Johannes David, Leipziger Volkszeitung vom 20.Oktober 2014




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