So viel Druck war selten auf den Kesselnieten: Der NHV Concordia Delitzsch ist mit einem bärenstarken 30:27 (15:12)-Erfolg gegen Mitfavorit Koweg Görlitz in die neue Sachsenliga-Saison gestartet. Etwa 300 aufgedrehte Zuschauer erlebten in der Becker-Halle einen denkwürdigen Sonnabend. Die Intensität stieg jedem einzelnen unter die Gänsehaut, forderte mit zwei roten Karten und der Verletzung von Jan Jungandreas ihren Tribut. Am Ende aber stand die Erkenntnis: Die neue Ausgewogenheit ist das große Delitzscher Plus.
Die mit mindestens 10000 Volt aufgeladene Partie war wahrlich nicht arm an bedeutungsschwangeren Szenen und Drama. Und doch sei an dieser Stelle ein vergleichsweise harmloses Stückchen Handball symbolisch vermerkt. Es begab sich fünf Minuten vor Schluß, als die Concorden in der Defensive mal wieder einen Ball stahlen, zum Konter aufbrachen. Da bekam Georg Mendisch den Ball an der Mittellinie, schaute sich kurz um, stoppte, hob den Arm und nahm das Termpo raus. Vier Tage vorher hatte der Kreisläufer seinen 19.Geburtstag gefeiert und nun stand er in einer wilden, unübersichtlichen Phase auf dem Parkett und war nicht zu unterscheiden von den Routiniers um ihn her.
"Ich kenne eben auch ein paar Tricks", sagte er hinterher abgebrüht wie eine Weihnachtsgans. Vor dem Spiel hätte wohl keiner vermutet, dass Mendisch zusammen mit Jüngling Nummero zwo, Lucas Mittag, praktisch die gesamte zweite Halbzeit auf dem Linoleum stehen würde. Doch angesichts des Auftritts der beiden Blondies, blieb Trainer Michael Schneider fast gar nichts anderes übrig: "Die Jungen haben mit viel Mut gespielt und sich dafür belohnt", befand der Coach.
Dass sie überhaupt dermaßen viel Einsatzzeit bekamen, hing mit dreierlei Verwicklungen zusammen. Zunächst verletzten sich Jan Jungandreas Ende der ersten Halbzeit und fällt mit Verdacht auf Muskelfaserriss wohl in den nächsten Wochen aus. Dann sah Shinn Uematsu kurz nach dem Wiederanpfiff die Rote Karte. Warum, bleibt das Geheimnis der Unparteiischen. Vielleicht wollten die ihr Gewissen nach dem Roten Karton für Gästespieler Petr Masat reinwaschen. Zu allem Übel erwischte es dann noch Matthias Strehle, der 20 Minuten vor dem Ende von Krämpfen geschüttelt vom Parkett trottete. So avancierte Mendisch zum Linksaußen und bildete fortan mit seinem Gegenüber Mittag die wohle jüngste Flügelzange der Liga. Da sage noch einer, Kreisläufer seien nicht flexibel. "Ich habe eben ein ganz gutes Händchen", erklärte Verwandlungskünstler Mendisch.
Weg von den Händchen, hin zu den Pranken. Die Mammutbäume aus Görlitz, in deren Schatten durchaus zwei NHV-Spieler Platz fanden, zeichneten sich durch zwei Eigenschaften besonders aus: Gnadenlose Härte in der Defensive und butterweiche Knie im Angriff. "Da sind Leute zwei Meter groß, wiegen 105 Kilo und fallen regelmäßig um. Das ist eine Frechheit, einfach nur Anti-Handball", echauffierte sich Schneider.
Die Größenunterschiede änderten freilich nichts daran, dass sich zwei Mannschaften auf Augenhöhe begegneten. Anfangs führten die Gäste, dann übernahm Delitzsch, setzte sich kurz nach Wiederanpfiff auf 19:14 ab. Koweg kam noch einmal zurück und 180 Sekunden vor Ende zum 26:25. Näher heran ließen die Concorden sie aber nicht. Für den Schlusspunkt hinkte sogar noch einmal Jan Jungandreas auf die Platte und verwandelte einen Siebenmeter. Wer weiß, wann er das nächste Mal zur Linie schreiten kann.
Johannes David, Leipziger Volkszeitung vom 16.September 2013
>>> Statistiken auf der Stats-Corner
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen