Dienstag, 24. März 2020

Abschied von der Schrankwand

Der NHV Concordia Delitzsch hat die erste personelle Weichenstellung für die kommende Saison vorgenommen. Sie besagt, dass der auslaufende Vertrag mit Kreisläufer Oliver Wendlandt nicht verlängert wird. Als Nachfolger hat der Handball- Oberligist Max Kalliske verpflichtet. Er spielt derzeit beim HSC Bad Neustadt in der dritten Liga.
„Das war eine schwere Entscheidung“, sagt NHV-Chefcoach Jan Jungandreas (32). Allerdings sei der 33-Jährige Wendlandt verletzungsanfällig und habe zudem zwei Jobs, wodurch er gelegentlich beim Training oder bei Punktspielen gefehlt habe. Zugleich wird damit die Verjüngung der Mannschaft fortgesetzt. Denn Kalliske, ein gebürtiger Brandenburger, ist 23 Jahre alt, also zehn Jahre jünger als Wendlandt. Der wiederum weist eine Größe von 2,05 Metern auf, Kalliske kommt auf 1,84 Meter.
Der Neuzugang, der einen Vertrag über zwei Jahre unterschrieben hat, möchte seinem neuen Team helfen, erfolgreich zu sein. Zudem wolle er „Spielpraxis gewinnen und von den erfahrenden Spielern lernen“. Kalliske lief viele Jahre für den VfL Potsdam auf und war ein Jahr in der zweiten norwegischen Liga bei Sandnes HK aktiv. Vor drei Jahren wechselte er nach Bad Neustadt. Die Unterfranken stehen derzeit auf dem vorletzten Platz der dritten Liga.
HSC-Trainer Frank Ihl (50) bedauerte den Abschied seines Kreisläufers. „Ich hätte ihn gerne behalten.“ Er habe in der Saalestadt gute Arbeit geleistet. Kalliske sei ein „guter, entwicklungsfähiger Spieler“. Der NHV werde an ihm viel Freude haben, meinte Ihl, der in der vorigen Saison noch den Delitzscher Liga-Rivalen HSV Apolda coachte, die Situation in Nordsachsen also recht gut einschätzen kann.
Der Tipp zu Kalliske kam Übrigens von Concordia-Keeper Felix Herholc (32). „Dabei kenne ich ihn gar nicht persönlich“, staunte der Kreisläufer. Der Torwart spielte einst auch für den VfL Potsdam. „Als ich hörte, dass wir einen Kreisläufer suchen, hatte ich natürlich ehemalige Potsdamer Spieler auf dem Radar und habe den Namen weitergegeben“, berichtete der Schlussmann. Kalliske traf sich mit Jungandreas und Team-Manager Marko Bergelt (46) zu einem Gespräch und absolvierte in Delitzsch ein Probetraining. Danach war die Sache klar.
Kalliske erzählte, er werde mit seiner Freundin nach Leipzig ziehen. Sie wolle in Halle ein Studium beginnen, er selbst plane eine Ausbildung zum Physiotherapeuten. Außerdem sei er bereit, eine Delitzscher Jugendmannschaft als Trainer zu übernehmen. In Bad Neustadt betreut Kalliske derzeit die männliche A- und die männliche C-Jugend.
Jungandreas bezeichnete Wendlandt, der sich selbst nicht äußern wollte, als „einen der besten Kreisläufer der Liga”. Der gebürtige Brandenburger läuft seit 2016 im Delitzscher Trikot auf, spielte früher mehrere Jahre in der zweiten Bundesliga für den VfL Potsdam und den TV Emsdetten. Der gelernte Bürokaufmann sattelte vor einigen Jahren zum Automobilkaufmann um und ist außerdem in der Sicherheitsbranche tätig. „Die Mannschaft konnte sich immer auf ihn verlassen“, lobte sein Trainer, „er hat immer Gas gegeben.“ Und strahlte Torgefahr aus. Fast schon legendär in der vorigen Saison die zahlreichen perfekten Anspiele von Danny Trodler aus dem Rückraum zu Wendlandt am Kreis. Der Rechtshänder schaffte es dabei sogar, mit der linken Hand die Bälle so zu werfen, dass die gegnerischen Torhüter keine Chance hatten. 2018/19 erzielte der Hüne in 24 Partien insgesamt 85 Treffer und landete auf Rang 37 der Torschützenliste der Oberliga. In der laufenden Spielzeit kam Wendlandt nur auf 12 Einsätze in 21 Spielen, erzielte dabei 37 Tore.
In der neuen Saison setzt der NHV-Trainer am Kreis neben Kalliske vor allem auf Moritz Brodowski, der vor einem Jahr aus Dessau an den Lober kam. Er habe „eine sehr gute Entwicklung“ genommen, meinte Jungandreas. Außerdem soll Marius Harig (21) neben seiner Stammposition Rückraum Mitte künftig vermehrt auch am Kreis eingesetzt werden. „Diesen zweieinhalb Kreisspielern gilt mein Vertrauen“, sagte Jungandreas.
Ulrich Milde, Leipziger Volkszeitung vom 24.März 2020

Eine düstere Zukunftsvision

Es könnte jeden treffen: Die Oberliga-Handballerinnen der HSG Riesa/Oschatz, die Oberliga-Kicker des FC Eilenburg oder des FC Grimma, die Zweitliga- Volleyballer des GSVE Delitzsch. Sicher kann sich keiner fühlen. Heute sind es nur Spielabsagen, morgen und übermorgen bedrohen die langfristigen Auswirkungen der Corona-Krise womöglich die Zukunft von Mannschaften auf gehobenem Amateurniveau. Das glaubt zumindest Christian Hornig, früherer Zweitliga- Handballer und jetzt in verschiedenen Funktionen beim NHV Concordia Delitzsch tätig, und beschreibt eine düstere Zukunftsvision.
Vereine verschmerzen. Zum Genickbruch werde dafür der mögliche Verlust der vielen kleinen Sponsoren. „Wir leben als Verein von Kleinstunternehmen und dem Mittelstand. Ob die in Zukunft noch unser Hobby unterstützen können, weiß kein Mensch. In ein paar Wochen und Monaten wird nichts mehr so sein, wie es mal war. Wir und die anderen Vereine müssen gucken, wie wir da rauskommen“, sagt Hornig. „Wir sind die Hobbys der Unternehmer und die haben jetzt ganz andere Sorgen.“ Christopher Köhler sieht deshalb die Landes- und Bundespolitik in der Verantwortung. „Was wir brauchen, sind ähnliche Investitionsprogramme wie wir sie nach den Hochwasserkatastrophen der letzten beiden Jahrzehnte schon gesehen haben. Dabei können großzügige Fördermittelprogramme für den Aus- oder Neubau der vereinseigenen Infrastruktur nicht nur das aufgrund der Einnahmeverluste dieser Saison fehlende Eigenkapital der Vereine ersetzen und damit das finanzielle Minus der Vereine abfangen, sondern gleichzeitig die von der Krise getroffene Wirtschaft ankurbeln“, fordert der Vorsitzende des FSV Meuselwitz.
Und was ist mit der laufenden Saison? Vielleicht findet sich ja noch eine Möglichkeit, sie zu Ende zu bringen. „Ich glaube nicht und ich habe auch kein Verlangen danach, das irgendwie zu lösen“, erzählt Hornig und gibt zu: „Am Anfang habe ich noch gedacht, ,scheiße jetzt geht unser Aufstieg flöten‘. Das ist erst ein paar Tage her und jetzt ist an Sport nicht mehr zu denken.“ Mehr noch: „Ich habe ein Leben lang Mannschaftssport getrieben. Mehr als der Sport fehlt mir eigentlich die Geselligkeit. Und trotzdem habe ich in der jetzigen Situation keinerlei Lust darauf.“ Und dann schlägt Hornig den ganz großen Bogen, erzählt von der bedrückenden Stimmung auf Arbeit, dem plötzlichen Stillstand („Es wird ruhiger. Du merkst, die Leute sind mit sich beschäftigt.“) und fordert gesellschaftliche Konsequenzen: „Wir waren in unserem Trott, es ging immer nur höher schneller weiter. Jetzt haben wir die Quittung. Es ist höchste Zeit, darüber nachzudenken, wie wir weitermachen.“ Christian Hornig sagt aber auch: „Wir haben in diesem Land den Luxus, unserem Hobby teilweise sehr professionell nachgehen zu können.“ Vielleicht müssen wir uns in Zukunft von so manchem Luxus verabschieden – nicht nur, was den Amateursport angeht.
Am 23. August etwa wollten die NHV-Handballer ihr zehnjähriges Jubiläumsfest groß in der Schladitzer Bucht aufziehen, inklusive Turnier der Frauen und Männer. „Das ist jetzt alles nebensächlich, weil du nicht weißt, wie lange diese Krise dauert und wie wir da rauskommen.“
Johannes David, Leipziger Volkszeitung vom 21.März 2020

NHV winkt bei Saisonabbruch der Titel

Üblicherweise verbringt Jan Jungandreas jede Woche viele Stunden in der Sporthalle. Der 32-Jährige betreut nicht nur die in der Mitteldeutschen Oberliga spielenden ersten Herren des NHV Concordia Delitzsch, sondern trainiert auch diverse Nachwuchsmannschaften. Gelegentlich läuft er noch für die zweite Männermannschaft auf. Doch da der Deutsche Handballbund vorläufig alle Partien abgesagt hat, verfügt der Delitzscher Chef-Coach über ungeahnt viel Zeit.
Die er intensiv nutzt. Anstatt Trainingspläne auszuarbeiten und Videoaufzeichnungen von Begegnungen der kommenden Gegner zu studieren, ist Jungandreas dabei, Möbel zu schleppen, zu tapezieren und zu malern. Denn er zieht gerade um. „Ich bin damit gut beschäftigt“, sagt er. Wenngleich es ihm natürlich lieber gewesen wäre, es gäbe keine Pandemie und die Saison liefe weiter. „Es gibt derzeit Wichtigeres, als Handball zu spielen oder Sport zu treiben.“
Seine Mannschaft trainiert seit vorigem Freitag nicht mehr. Das Landratsamt Nordsachsen hat alle kreiseigenen Hallen komplett gesperrt. Der NHV Concordia hat den Trainingsbetrieb für alle Mannschaften, also auch für den Nachwuchs, inzwischen eingestellt. Kontakt mit seinen Spielern hält Jungandreas jetzt vorwiegend über WhatsApp. Die Entwicklung werde permanent beobachtet. „Wir geben aber nicht jeden Tag Wasserstandsmeldungen heraus.“ Er gehe davon aus, dass seine Spieler sich in Eigenverantwortung fit halten.
Wie es mit der Oberliga-Saison weitergeht, steht noch nicht fest. Allgemein wird damit gerechnet, dass die laufende Spielzeit abgebrochen wird. Denkbar ist, dass es aus Gründen der Fairness dann keine Absteiger geben wird. Das wiederum könnte bedeuten, dass in der neuen Saison mehr als die üblichen 14 Vereine spielen werden. Aber über das Stadium der Spekulation reicht das momentan nicht hinaus.
Sollte die Saison tatsächlich jetzt vorzeitig beendet werden, dann wären die Nordsachsen wohl Meister. Denn entweder, es gilt der Stand zum Ende der Hinrunde. Und da befand sich der NHV mit 22:6 Punkten auf dem ersten Rang. Oder es wird die aktuelle Tabelle genommen. Da liegen die Concorden nur auf Rang zwei. Sie sind allerdings punktgleich mit dem Spitzenreiter HC Burgenland (je 30:12 Zähler). Die Naumburger haben zwar das bessere Torverhältnis. Doch es zählt zunächst der direkte Vergleich. Und den hat der NHV auswärts im November mit 29:23 für sich entschieden, wäre auch dann der Titelträger. Das Rückspiel sollte ursprünglich am 28. März ausgetragen werden.
Eine Meisterfeier ist trotz dieser nicht unwahrscheinlichen Variante nicht geplant. „Das hat in unseren Köpfen keinen Platz“, betont Jungandreas, dem ein Plauener Spieler bereits zum Titel gratuliert hat. Die gesamte Welt und somit auch die Delitzscher Handballer haben momentan andere Sorgen.
Was auf jeden Fall bleibt: „Wir haben eine hervorragende Saison gespielt“, meint der Cheftrainer. Zwar habe es auch das eine oder andere Tief gegeben. Aber unterm Strich habe das Team im vergangenen Dreivierteljahr „Hervorragendes“ geleistet. Eine gute Ausgangslage, um in der neuen Oberliga-Saison – ein Aufstieg ist in diesem Jahr nicht geplant – wieder ordentlich mitzumischen.
Ulrich Milde, Leipziger Volkszeitung vom 18.März 2020

Samstag, 7. März 2020

NHV - HBV Jena 1990 33:26 (18:10)

NHV wirft sich gegen Jena ein
 
Der Showdown steigt am 28. März. Dann erwartet der NHV Concordia Delitzsch zum Gipfeltreffen in der Mitteldeutschen Handball-Oberliga den HC Burgenland. Mehr geht nicht, der Zweite empfängt den Ersten. Beide Teams sind punktgleich (30:12). Die Naumburger haben zwar das bessere Torverhältnis, aber die Hinrundenpartie in eigener Halle gegen die Nordsachsen mit 23:29 verloren.
Eine gute Ausgangsposition also für den NHV, zumal die Delitzscher offenkundig eine kleine Schwächephase überwunden haben und am Wochenende den HBV Jena souverän mit 33:26 (18:10) besiegten. Eine Woche zuvor hatten die Concorden bereits in Freiberg beim 29:27 beide Punkte geholt. Burgenland unterlag dagegen am Sonnabend in Pirna überraschend deutlich mit 22:27. „Wir werden uns bis dahin den Hintern aufreißen“, schickte NHV-Cheftrainer Jan Jungandreas denn auch eine Kampfansage in die Saalestadt.
Die Begegnung gegen Jena war jedenfalls geeignet, die Zuversicht bei den Sachsen zu steigern. Von Beginn an hatte die Mannschaft das Geschehen fest in der Hand. Es wurde mit viel Tempo nach vorne gespielt. „Da sind meine Spieler nicht hinterher gekommen“, seufzte Jenas Trainer Sergio Ruiz Casanova. Im Angriff des NHV war viel Bewegung, die Deckung konzentriert und zupackend.
Herausragend und später als Spieler des Abends geehrt war dabei Tobias Karl. Das Eigengewächs, sonst Torschütze vom Dienst in der zweiten Mannschaft, erhielt das Vertrauen, spielte – abgesehen von einer Zwei- Minuten-Strafe – durch, stahl den Gästen als vorgezogener Akteur in der Abwehr wiederholt Bälle. „Das hat er prima gemacht“, heimste der 19- Jährige ein dickes Lob seines Trainers ein. „Das war jetzt hoffentlich mein Durchbruch in der ersten Mannschaft“, sagte Karl. „Ich habe versucht, mein Bestes zu geben.“
Dabei wurde ihm in der Offensive eine für ihn nicht alltägliche Position zugewiesen. Da Michael Günther und Daniel Sowada, die etatmäßigen Linksaußen, angeschlagen waren, musste Karl dort aushelfen. Obwohl er eigentlich im linken Rückraum Zuhause ist. Ein gelungener personeller Schachzug von Jungandreas.
Nicht der einzige an diesem Abend. Marius Harig, sonst im Rückraum tätig, löste über weite Strecken der zweiten Halbzeit Moritz Brodowski am Kreis ab und zeigte ebenfalls eine überzeugende Leistung. Überhaupt konnte Jungandreas es sich leisten, angesichts der klaren 18:10-Führung zur Halbzeit im zweiten Durchgang Stammspielern wie Steve Baumgärtel und Martin Müller längere Pausen zu spendieren. „Alle, die reingekommen sind, haben richtig Gas gegeben“, lobte der Coach. „Das macht viel Hoffnung.“ Der Sieg war jedenfalls nie gefährdet. Das sah auch der HBV-Trainer so: „Wir haben im zweiten Durchgang zwar mehr Paroli geboten, aber die Begegnung war schon zuvor entschieden.“ Jena ist mit 9:33 Punkten Schlusslicht. „Unsere Chancen auf den Klassenerhalt sind sehr schlecht“, räumte der Gäste-Coach ein.
Die Gastgeber haben dagegen mit ihren Personalrochaden ein gehöriges Maß an Flexibilität an den Tag gelegt und sind so für die kommenden Gegner schwer ausrechenbar. Mitverantwortlich für den Einsatz von Harig am Kreis ist übrigens Till Lindemann. Der Frontsänger der Band Rammstein ist gegenwärtig mit einem Soloprojekt auf Europa-Tournee. Und verantwortlich für die Sicherheit ist Oliver Wendlandt. Der NHV-Kreisläufer war zwar gegen Jena in der Halle, stand aber nicht im Kader. Am kommenden Samstag fliegt der Hüne mit Lindemann für zehn Tage nach Russland. „Ich bin über Freunde zu dieser Aufgabe gekommen“, berichtete der 33-Jährige, der ausdrücklich dem NHV sowie seinem Arbeitgeber dafür dankte, dass er für die Tour freigestellt wurde und wird. Ende Mai begleitet er Rammstein auf Europatournee und ist später auch bei den Auftritten in den USA dabei. „Das ist eine einmalige Chance“, sagte Wendlandt und freute sich auch über den Auftritt der Concorden gegen Jena: „Das haben sie super gelöst.“
Ulrich Milde, Leipziger Volkszeitung vom 9.März 2020