Wieder nichts: Nur 20 Minuten waren die Handballer des NHV Concordia Delitzsch gestern Nachmittag sachsenligatauglich. Dann verloren sie völlig den Faden - und die Partie gegen den SV Koweg Görlitz 20:29 (11:15). Trainer Matthias Albrecht brachte die sechste Niederlage im sechsten Spiel auf einen ebenso einfachen wie wahrheitsgemäßen Nenner: "Wir müssen an unserer Konstanz arbeiten, sind manchmal einfach zu ungeduldig und wollen es erzwingen." Wenigstens ein Hauch alten Glanzes wehte durch die Artur-Becker- Halle. Sebastian Bliß und Martin Müller, in der Vorsaison noch in der 2. Bundesliga für die inzwischen insolvente CSG Concordia am Ball, hatten sich unter die 164 Zuschauer gemischt. Auch die Görlitzer bedienten sich an der Konkursmasse vom Lober, brachten Keisuke Inamoto und Akihiro Yonekura mit, die 2009/2010 im Delitzscher Oberliga-Team aktiv waren. Wie es das Schicksal so wollte, wurden gerade die beiden "verlorenen Söhne" zu spielentscheidenden Faktoren, wenn auch auf äußerst unterschiedliche Weise. Der pfeilschnelle Yonekura wirbelte die Defensive der Hausherren gehörig durcheinander, traf an alter Wirkungsstätte sechsmal und war nie in den Griff zu kriegen. Ganz anders dagegen Inamoto. Der stand anfangs bei den Gästen zwischen den Pfosten, bekam aber keine Hand an den Ball. Als er in der 20. Minute beim Stand von 8:8 vom Feld ging und Thomas Kirchhoff seinen Posten übernahm, endete der Traum vom ersten NHV-Sieg. Bis dahin zeigten die Schützlinge von Matthias Albrecht ihre bisher wohl beste Saisonleistung, spielten schnell nach vorn und erlaubten sich nur wenige Ballverluste. Der Trainer sah die Seinen "anfangs auf Augenhöhe".
Doch dann folgte der Einbruch gegen einen keinesfalls übermächtigen Gegner. Das lag zunächst nicht nur daran, dass Kirchhoff ausgezeichnet hielt, sondern auch am Wurfpech der Concorden. In den letzten zehn Minuten der ersten Hälfte landete der Ball gefühlte 100 Mal an Pfosten oder Latte, da ist man durchaus versucht, tief in die Phrasenkiste zu greifen. "Wenn man unten steht, kommt eben auch noch Pech dazu", so Albrecht. Dabei übersah er eines jedoch nicht: "Wir haben in der zweiten Hälfte zu zeitig aufgegeben." Ob's an der tropischen Hitze im Becker-Karton lag oder daran, dass die Hallenuhr noch nach Sommerzeit tickte? Die Antwort kennt ganz allein der Wind, um es mit Bob Dylan zu sagen. Jedenfalls halfen den Delitzschern nach der Pause weder eine doppelte Überzahl noch vier Siebenmeter weiter. "Wir leisten uns immer noch zu viele individuelle Fehler, sowohl vorne als auch hinten", sagte ein sichtlich enttäuschter Albrecht, der weiß, wie schwer es nun wird, die Liga noch zu halten.
Johannes David, Leipziger Volkszeitung vom 1.November 2010