Ein einsames Trikot kündet von den Beschwerlichkeiten des vergangenen Wochenendes. Triefend vor Nässe baumelt es in grellem orange auf einem Tor vor der Becker-Halle, als wollte irgendwer die Ereignisse der zurückliegenden knapp 48 Stunden zu einem Stillleben verarbeiten. Von Freitagabend bis Sonntagmittag haben sich die Herren des NHV Concordia Delitzsch an Ort und Stelle geschunden. Die Vorbereitung auf die Saison in der Handball-Sachsenliga hinterlässt Spuren. Ein paar Schritte weiter sind die menschgewordenen Qualen zu besichtigen.
Die Zuordnung des verwässerten Leibchens erweist sich allerdings als nahezu unlösbares Vorhaben. Mal eben drei Viertel der Mannschaft tippeln oben ohne über das Parkett, oder besser: sie taumeln. Auslaufen nennt sich das in Fachkreisen. Coach Michael Schneider fasst die zurückliegenden Ergebnisse fast schon bürokratisch zusammen: "Ich bin zufrieden. Wir haben den ausgearbeiteten Trainingsplan durchgezogen." Der bestand aus diversen Lauf- und Kraft-Einheiten und ein paar technisch-taktischen Amüsements. "Die Neulinge sollen in unsere Handball-Philosophie reinwachsen, die anderen sich wieder daran erinnern", erklärt Schneider. Die Philosophie heißt bekanntlich: Tempo- Handball der knallharten Sorte. Wer da konditionell nicht auf der Höhe ist, verpasst ganz schnell den Anschlusszug. Auch Kapitän Marcus Leuendorf schont sich nicht. Die Anstrengungen stehen dem inzwischen 32-Jährigen auf den Leib geschrieben. Der Kopf leuchtet ziegelrot, Rinnsale fließen die Stirn herab, das T-Shirt klebt durchnässt und figurbetont an Brust, Bauch und Rücken, die Schuhe stehen unter Salzwasser. "Es wird von Jahr zu Jahr schwerer. Die Jungschen werden immer schneller", sagt der Routinier. Intensiv und abwechslungsreich seien die Einheiten gewesen. Da wirkt der Zusatz, "es hat Spaß gemacht", ein wenig erzwungen. Den Flüssigkeitshaushalt von Leuendorf und Co. brachten übrigens fünf Kisten Wasser, umgerechnet also 60 Liter, wieder einigermaßen in Waage. Ein paar Sekündchen später sitzen alle noch einmal im Kreis zusammen, der Übungsleiter richtet warme Dankesworte an die Herren in Schweiß. Matthias Strehle suhlt sich derweil in einer Lache des körpereigenen Safts, Jan Jungandreas fallen zwischenzeitlich die Äuglein zu. Dafür teilt der Toptorjäger erfreuliches zu seinem Gesundheitszustand mit. "Ich muss zwar immer noch dosiert trainieren. Aber es wird von Woche zu Woche besser." Der malade Rücken soll bald wieder sachsenligatauglich sein. Kein Wunder, dass Jungandreas sich besser fühlt. Schließlich wurden er und die Mannschaft am Sonnabend vom NHV-Fanclub liebevoll umsorgt. Erst kochten die "Loberhaie" Nudeln für die gesamte Handball-Kompanie, am Abend schmuggelten sie sogar eine 20er Packung Bier und Grillgut in die unmittelbare Nähe der Becker- Halle. "Es war aber auch viel Alkoholfreies dabei", sagt Julius Hartmann und zerstreut sofort Spekulationen um ein Gelage. Keine Schnaps- Marinade also. Kurz darauf ist das apfelsinen-farbene Symbol des Wochenendes verschwunden, womöglich in einer Waschmaschine einquartiert. Heute und morgen geht es schließlich weiter in Sachen Saison-Vorbereitung. "Ich hoffe, dass wir langsam mal etwas mehr mit dem Ball machen", sagt Marcus Leuendorf. Seine Teamkollegen hätten gegen die weisen Worte des Kapitäns sicher nichts einzuwenden.
Johannes David, Leipziger Volkszeitung vom 28.Juli 2014