Vor dem ersten Saisonspiel in der Handball- Oberliga beim anhaltischen Traditionsverein HG 85 Köthen stellten sich auf Delitzscher Seite einige Fragen: Wie ist die Integration der Neuzugänge gelungen? Kann die Mannschaft das Spielsystem des neuen Trainergespanns Maik Kroke und Jan Jungandreas umsetzen? Was sind die Testspielergebnisse wert?
Eine große Anhängerschar aus Delitzsch wollte diese Fragen vor Ort beantwortet sehen und sie wurde nicht enttäuscht. Denn der NHV Concordia fand rundum überzeugende Antworten, gewann nach überragender erster Halbzeit mit 30:27 (16:11) und feierte damit den ersten Sieg in Köthen überhaupt. Besser hätte es zum Auftakt nicht laufen können.
Hohes Tempo und ausgeprägte Spiellust prägten vom Anpfiff weg das Geschehen auf dem Parkett. Nach knapp zwei Minuten ging Köthen in Führung, Concordia glich mit dem ersten Tor von Niklas Zierau aus. Jetzt nahm die Partie richtig Fahrt auf. Der NHV agierte aus einer beweglichen 5:1-Deckung heraus, die die Gastgeber zunehmend vor Probleme stellen sollte. Bis zur neunten Minute (4:5) war die Begegnung noch relativ ausgeglichen, danach wurde die Fehlerquote im Angriff der HG 85 immer höher.
Delitzsch konnte jetzt auf schnelle Konter setzen und diese konsequent zu Torerfolgen nutzen. Besonders Benedikt Schmidt auf Rechtsaußen und der stark auftrumpfende Niklas Prautzsch sorgten dafür, dass der NHV Tor um Tor davonzog. Lediglich Christian Kanzler im Gehäuse von Köthen verhinderte eine noch höhere Führung der Gäste. In der 21. Minute lagen die Concorden mit acht Toren (6:14) in Front, die Fans aus der Loberstadt konnten es kaum glauben. Auch wenn es den Grün- Weißen bis zur Halbzeitpause gelang, den Rückstand auf fünf Tore zu verkürzen, schmälerte das nicht die Leistung der jungen Delitzscher Mannschaft.
Vor dem Seitenwechsel fragten sich viele Zuschauer, wie die Teams bei den tropischen Temperaturen in der Halle und angesichts des hohen Tempos die zweite Halbzeit verkraften werden. Um es vorwegzunehmen: Beide Mannschaften zeigten hier keine Schwächen. Mit Wiederbeginn wurde schnell klar, dass sich Köthen noch nicht geschlagen gibt. Die Hausherren minimierten ihre Fehler im Angriff und profitierten auch von einer Umstellung in der Delitzscher Abwehr. Diese offenbarte vor allem auf der linken Angriffsseite der HG 85 immer wieder Lücken, so dass der Vorsprung der Gäste schmolz. Nach 51 Minuten war es dann passiert: Die Anhalter glichen zum 25:25 aus. Jetzt erwachten auch die Zuschauer auf Köthener Seite und das Spiel nahm an Dramatik zu.
Auf dem Feld und auf den Rängen wurde es zunehmend hitziger und es galt, in dieser Atmosphäre einen kühlen Kopf zu behalten. Während der Gastgeber zunehmend mit den Schiedsrichtern haderte, kämpfte Concordia um den ersten Sieg in der Fricke-Halle. In den letzten zehn Minuten kamen die nervenstarken Jungs vom Lober noch zu fünf Torerfolgen, während Köthen nur noch zweimal einnetzen konnte. Nach dem Abpfiff kannte der Jubel auf Delitzscher Seite keine Grenzen mehr. Die Mannschaft war total erschöpft, aber glücklich und die zahlreichen Fans der Blau-Weißen feierten noch lange den in dieser Form nicht erwarteten Auswärtssieg.
Ein hochzufriedener Trainer Maik Kroke zeigte sich vor allem von der ersten Halbzeit sehr angetan. „Die war nahezu perfekt und unser Matchplan ist voll aufgegangen. Wir standen extrem gut in der Abwehr, mit viel Laufbereitschaft und Konzentration. Dadurch konnten wir auch in den Konterbereich gehen und leichte Tore werfen. Im Angriff haben wir geduldig gespielt und meist die richtigen Entscheidungen getroffen“, sagte der Trainer. „In der zweiten Halbzeit war uns bewusst, dass Köthen alles nach vorne werfen wird. Wir waren dann phasenweise nicht mehr so konzentriert. Ein paar falsche Entscheidungen im Angriff, und schon wurde es hektisch. Trotzdem ist die Mannschaft ruhig geblieben und hat noch mal alles rausgeholt mit letzter Kraft. Unser Sieg war deshalb verdient.
Besonders Niklas hat mich heute überzeugt und eine Topleistung geboten.“ Prautzsch, der sieben Tore erzielt hatte, wurde denn auch zum Man of the Match gekürt und meinte: „Wir haben es von Anfang an geschafft, Köthen vor schwierige Aufgaben zu stellen und konnten unsere Chancen gut nutzen. Wir sind super gestartet, haben am Ende auch bei Gleichstand kühlen Kopf bewahrt und die wichtigen zwei Punkte zu Beginn der Saison mitgenommen. Darüber sind wir sehr froh und das lässt uns positiv auf die nächsten Aufgaben blicken.“
Bereits jetzt ist die Vorfreude auf das Spiel in Plauen groß, Concordia tritt am Samstag beim Ligafavoriten Oberlosa an.
Hartmut Sommerfeldt, Leipziger Volkszeitung vom 2.September 2019