Ein Hauch von Europameisterschaftgefühlen verliefen sich in dem ordentlich, aber lang nicht richtig gut gefüllten Kultur- und Sportzentrum zu Delitzsch. Dies lag aber keineswegs an den spielenden Mannschaften, sondern an den Gebrüdern Bernd und Rainer Methe, die sich nach dem EM-Finale in Wien in den Niederungen der zweiten Bundesliga aklimatisieren dürfen und die Partie zwischen Concordia Delitzsch und HG Saarlouis leiteten. Dass die Akteure auf dem Spielfeld dann nicht Karabatic, Gille und Balic hießen und die Abwehrreihen auch nicht ansatzweise so zupackten, wie eben jene beiden EM-Finalteilnehmer, schien den Methes nur wenig auszumachen. Das Spielgeschehen hatten sie jedenfalls - trotz knappen Spielausgangs - jederzeit im Griff.
Da nun die Deckung bereits angesprochen wurde, befinden wir uns auch schon mitten in der Begegnung. Nach acht Minuten zeigt die Tafel 7:2 für Delitzsch, Saarlouis-Coach Gulbicki nimmt seine erste Auszeit. Nach 15 Minuten steht es 13:8. Die offensivorientierten Abwehrreihen, Concordia agierte wie zuletzt auch in einer 3:2:1-Deckung, zerbröselten förmlich, wenn auch nur ein Saarländer Außenspieler einlief oder ein Martin Hummel sich elegant durch den grünen Verband schleuste. Da Delitzsch auf jeden Gegentreffer mit einem eigenen Tor antwortete, hielt Jungandreas an der Art der Verteidigung fest. Saarlouis probierte es dagegen mit einem Torhüterwechsel. Als René Boese in der 27. Minute das 19:13 erzielte, schien das zehnte Heimspiel in dieser Saison ein langweiliges zu werden. Doch es kam schließlich ganz anders. Bis zur Halbzeitpause gelang den Hausherren kein Treffer mehr, Saarlouis verkürzte auf 14:19.
Nach dem Wiederanpfiff vernahmen Spieler und Fans eine Umstellung der Gäste-Deckung. In einer recht passiven 6:0-Abwehr stehend, gingen den Delitzschern völlig die Ideen aus. Hummel und Warmuth, die das Eins-gegen-eins-Duell mögen, konnten ihre Stärken nicht mehr ausspielen und Steve Baumgärtel schien sich auf eine Art Selbstfindungstrip zu begeben. Der Dessauer Neuzugang überzeugte ganz und gar durch seinen Einsatz, doch scheint ihm gegenwärtig das Gefühl abhanden gekommen zu sein, wann der Pass und wann der eigene Wurf anzubringen ist. Aber ganz sicher waren es nicht nur seine Fehler, die die Aufholjagd der Gäste beschleunigten. Warmuth spielte ideenlos, Müller versuchte es mit dem Kopf durch die Wand, Hummel schonte sich für die Endphase. Ballverlust um Ballverlust bestraften die Saarländer immer mit einem Kontertor. So lassen sich indes auch die 10 Treffer des starken HG-Außen Andre Lohrbach erklären. Gabor Pulay, der bis dahin gut hielt und viele Fehler seiner Vorderluete wettmachte, wurde hier vollends im Stich gelassen. Nach nur acht gespielten Minuten im zweiten Durchgang war es dann geschehen, eben jener Lohrbach glich mit einem weiteren Tempogegenstoß zum 21:21 aus. Wer dachte die Concorden würden jetzt aus ihrer Lethargie erwachen sah sich getäuscht. Uwe Jungandreas hielt auch weiterhin an der 3:2:1-Deckung fest, die Frage nach dem 'Warum?' sei spätestens an dieser Stelle erlaubt, und nach weiteren zehn Minuten führte Saarlouis mit 26:28. Doch genau jetzt, und es war keine Sekunde zu früh, legte Delitzsch den Schalter um; besser gesagt legte Gabor Pulay, Concordias Schlussmann, diesen um. Boese traf per Kontertor, Oehlrich versenkte einen Abpraller, dann hielt der ungarische Fels, der seit Wochen in einem Dauertief steckt, gleich zwei Strafwürfe in Folge. Erst scheiterte Danijel Grgic, dann Sven-Malte Hoffmann. Jetzt waren die Delitzscher heiß, doch der Ansturm auf das HG-Gehäuse gestaltete sich schwierig. Immer wieder scheiterten Hummel und Co. Doch da Jungandreas endlich ein Einsehen hatte und seine Deckung ebenfalls auf 6:0 zurückzog, bissen sich die Gäste fortan am weltklasse-haltenden Pulay die Zähne aus. Hummel holte erst einen Siebenmeter heraus, den Streitenberger verwertete, dann netzte er arg bedrängt selbst ein. Das 31:29 glichen die Gäste aber nochmals aus bevor Thomas Oehlrich sich zum wiederholten Male einen Abpraller sichterte und bei 58 Minuten und 40 Sekunden das 32:31 erzielte.
Saarlouis-Coach Gulbicki setzte nun alles auf eine Karte und brachte den siebten Feldspieler. Aber auch diesen Angriff machte Gabor Pulay mit einer großartigen Parade zunichte. Doch damit nicht genug, der Routinier erspähte das leere gegnerische Tor und brachte den Ball mit einem 35-Meter-Wurf eben dort unter. Das 33:31 war zugleich die Vorentscheidung, der letzte Treffer durch den spät eingewechselten Eric Jacob ging im Jubel unter.
Am Ende war der Jubel groß, doch ob der grandiose Kampf in den Schlussminuten wirklich von Nöten war, darf sich jeder selbst beantworten. Publikumswirksam war dieser Auftritt unserer Concorden allemal, wenngleich sich der Alterungsprozess des Trainers Jungandreas wieder enorm beschleunigt haben dürfte.
-Concordia: Pulay (1 Tor ; 26/3 Paraden), S. Müller (n.e.); Streitenberger (9/5), Hummel (6), Boese (6), Baumgärtel (4), Warmuth (2), M. Müller (1), Jacob (1), Meiner, Telehuz, Pietzsch, Riehn.
Saarlouis: Ehrlich (1/1 Parade), Henne (15 Paraden), Joncyk (3 Paraden); Lohrbach (10/1), Fontaine (6), Grgic (4), Koppenburg (3), Leist (3), Nielsen (2), Hoffmann (2), Simon (1), Kessler, Kühn.
-Siebenmeter: Concordia: 6/5 (Streitenberger scheitert an Ehrich), Saarlouis: 4/1 (Grgic scheitert 2x an Pulay, Hoffmann 1x an Pulay)Zeitstrafen: Concordia: 3x2min (Oehlrich, Telehuz, Boese), Saarlouis: 2x2min (Fontaine, Koppenburg)
Zuschauer: 850
Schiedsrichter: Rainer Methe / Bernd Methe
Fotos vom Spiel: