Martin Müller ist offenbar ein stiller Genießer. Der Abwehrhüne des NHV Concordia Delitzsch wischte sich in aller Ruhe mit einem Handtuch den Schweiß von der Stirn. Von seinem großen Verdienst am 31:24-Erfolg des Handball-Oberligisten am Sonnabend in eigener Halle gegen die HG 85 Köthen wollte der 28-Jährige nichts wissen. „Wir wussten doch alle, dass wir bei der 24:32-Niederlage vor einer Woche beim SV Plauen-Oberlosa nicht alles aus uns herausgeholt haben”, wiegelte er ab. Müllers öffentliche Kritik – Plauen sei in Sachen Wille, Kampf und Aggressivität überlegen gewesen – hat aber eindeutig gefruchtet. „Die Mannschaft ist enger zusammengerückt und hat gut trainiert”, berichtete Cheftrainer Wladimir Maltsev. Und dann „kann sie gegen alle anderen Teams in der Oberliga gewinnen” – auch gegen den Tabellensechsten. Kein Wunder, dass der Coach schon vor dem Derby extrem gut gelaunt war und Zuversicht verbreitete. „Die Stimmung ist gut”, hatte auch Torwart und Mannschaftskapitän Felix Herholc einen neuen Geist im Team ausgemacht. Dem Wachrüttler Müller hatte sich der Fanclub „Loberhaie” angeschlossen und „Kampf, Kampf und nochmals Kampf” gefordert. „Heute hat die Mannschaft unsere Erwartungen voll erfüllt”, lobte Fanclub- Vorsitzender Hartmut Sommerfeldt. „Das Team hat gezeigt, dass es lebt”, freute sich auch Co-Trainer Jan Jungandreas. „Wir haben großen Willen gezeigt”, ergänzte Rückraumschütze Danny Trodler. Der Altmeister, der am Saisonende die Schuhe an den Nagel hängen wird, erzielte fünf Tore. Entschlossenheit zeigten die Nordsachsen von Anfang an. Da ließen sie sich auch vom frühen 6:3-Vorsprung der Gäste nicht irritieren. „Wir haben es da versäumt, weitere Tore zu erzielen”, kritisierte HG-Coach Bodo Kreutzmann. Anstelle von Hektik und überhasteten Würfen war weiter Ruhe die erste Concorden-Spielerpflicht. Konzentriert wurden die Angriffe vorgetragen. Die Delitzscher holten auf und gingen durch einen Treffer ihrer Überlebensversicherung Frank Grohmann mit 8:7 (14.) in Führung. Ein Vorsprung, der nicht mehr aus der Hand gegeben wurde. Wichtig war auch, dass die Abwehr sich rasch zu einem wahren Bollwerk entwickelte. „Nach anfänglichen Unsicherheiten hat sie sich schnell gefangen und war sehr stabil“, lobte Zuschauer Manfred Buder, einst Präsident des Delitzscher Vorgängervereins.
Mit 16:10 ging es in die Pause, und die Gastgeber bauten den Vorsprung aus. Der Sieg hätte sogar höher ausfallen können, wenn sich nicht ein paar zu verschmerzende Nachlässigkeiten eingeschlichen hätten. Entscheidend für den „absolut verdienten Erfolg”, so Trodler, war eine geschlossenen Mannschaftsleistung, in der jeder für jeden kämpfte.
Das Duell der Oberliga-Torjäger entschied die Nummer eins, Frank Grohmann, mit zwölf Treffern deutlich für sich. Er hat bislang den Ball 162- mal untergebracht. Sein Köthener Kontrahent Lukas Krug, zweiter der Schützenliste, fügte seinen bisher 106 Toren nur sechs weitere hinzu, davon vier in der Anfangsphase. Auch ein Verdienst von Daniel Sowada, der ihn zeitweise in Manndeckung nahm. Und dann hatte auch Felix Herholc einen Sahnetag erwischt. Reihenweise entschärfte er platzierte Würfe und war selbst bei den zwei Siebenmetern nicht zu bezwingen. Köthens Trainer Kreutzmann monierte zu viele Fehler in seinem Team. „So kann man kein Spiel gewinnen.”
Der NHV rückte zwar mit nun 14:22 Punkten vom elften auf den neunten Platz vor. Der Kampf um den Klassenerhalt geht dennoch weiter. Halle machte ebenfalls einen Rang gut, hat 13 Pluszähler und eine Begegnung weniger. Auch Oebisfelde, Jena, Apolda, Zwickau und Einheit Plauen bangen ums Überleben. Nächsten Sonnabend treten die Concorden in Halle an. „Wir haben gezeigt, was geht”, meinte Müller. Wenn der NHV das auch in der Saalestadt abruft, dürfte Müller den Abend erneut genießen können.
Ulrich Milde, Leipziger Volkszeitung vom 4.Februar 2019
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