Sonntag, 8. Juni 2014

Interview mit Michael Schneider

"Spielerisch die beste Mannschaft der Liga"

Michael Schneider, 39, hat seinen Trainerkollegen seit dieser Saison etwas voraus. Er hat mit dem NHV Concordia Delitzsch eine Spielzeit erlebt, die die wenigsten jemals durchleiden müssen. Nach neun Siegen und einem Remis in den ersten zehn Spielen folgten bittere Pleiten - zum Beispiel beim späteren Meister Zwickau, aber eben auch in Görlitz. Und als sich alle schon mit einem weiteren Jahr Sachsenliga abgefunden hatten, die Saison praktisch beendet war, kam plötzlich die Relegation gegen Mühlhausen. Trotz zweier Siege entpuppte sich auch die letztlich als Luftnummer. So eine Achterbahn muss erst mal einer verkraften. Im Interview spricht Schneider über sein Seelenheil, Selbstzweifeln und Kindererziehung.
 
Nach all dem Irrsinn am Ende des Handballjahres fangen wir vielleicht am besten so an: Was war der schönste Moment der Saison? 
Puuh, vielleicht der Heimsieg gegen Zwickau. Das macht Mut und hat gezeigt, dass sich spielerische Qualität durchsetzen kann. Aber eben nicht immer. Stimmt. Trotzdem haben wir uns insgesamt im Vergleich zum vergangenen Jahr noch einmal gesteigert und einige schöne Erfolge gefeiert.
 
Und bittere Rückschläge eingesteckt. Verfolgen Sie die Punktverluste bei schwächeren Teams wie Aue oder Görlitz noch im Schlaf? 
Nein, wenn man länger mit einer Mannschaft arbeitet, weiß man, dass es solche Situationen geben kann. Wir mussten auch einige Neulinge einbauen, waren nicht so gefestigt und sind durch unsere Spielweise immer genötigt, uns alles über die mannschaftliche Geschlossenheit zu erarbeiten.
 
Was war für Sie der Knackpunkt dieser Saison? 
Schwer zu sagen. Vielleicht das Spiel in Zwickau, wo wir gesehen haben, dass wir Dinge verändern müssen.
 
Und die Pleite in Görlitz? 
Da waren einige geistig und körperlich nicht voll anwesend. Mit halber Kraft geht bei uns wenig.
 
Warum hat es nicht zur Meisterschaft gereicht? 
Weil uns in den entscheidenden Situationen jemand gefehlt hat, der auch mal ein einfaches Tor macht. Zwickau dagegen hat seine schwierigen Spiele immer knapp gewonnen, auch dank seiner Einzelkönner. Trotzdem denke ich, dass wir vom spielerischen Potenzial her die beste Mannschaft der Liga waren.
 
Zweifelt man manchmal auch an sich und seinen Entscheidungen? 
Ich zweifle immer, ob wir etwas verändern, besser machen, können. Ich versuche mich und die Jungs immer ordentlich vorzubereiten. Dazu muss man ehrgeizig arbeiten, seine Entscheidungen immer wieder überdenken. Grundlegende Zweifel an meiner Arbeit als Trainer habe ich aber nicht.
 
Nach der verpassten Meisterschaft kam unerwartet die Relegation, die am Ende wertlos war. Ist bei Ihnen noch ein Milliliter Sprit im Tank? 
Ich bin erst mal leer, brauche ein paar Minuten Abstand. Aber es bleiben nur ein paar Tage, dann müssen wir die Vorbereitung planen.
 
Wie wäre es mit einer längeren Pause? 
Grundsätzlich haben wir die ja. Aber durch die Relegation ist alles verkürzt. Natürlich ist es nicht von Vorteil, wenn man nicht so richtig Zeit hat, die Akkus aufzuladen.
 
Für einige war Zugang Shinnosuke Uematsu vor der Saison eine Art Heilsbringer - hat er die Erwartungen erfüllt? 
Es war klar, dass wir wegen unsere Probleme auf halblinks viele Sachen nur spielerisch lösen konnten, das birgt natürlich unheimlich viele Gefahren. Aber auch wegen Shin haben wir das oftmals gut gelöst. Man muss aber auch bedenken, dass er sich an ein neues System gewöhnen musste und auf Außen sah er vielleicht nicht immer glücklich aus. Aber insgesamt waren seine Leistungen schon in Ordnung.
 
Hat Ihnen die Vorgabe "Aufstieg" vor der Saison gefallen? 
Es war ein berechtigter Wunsch von Fans und Vorstand, als Trainer sieht man das mit gemischten Gefühlen. Ich habe von Anfang an gesagt, dass wir keine Übermannschaft sind.
 
Jetzt sind wieder vier Spieler gegangen, vier neue dazu gekommen. Inwiefern nervt Sie diese fehlende personelle Konstanz? 
Die Entwicklung war mehr oder weniger klar. Wir brauchten jüngere Spieler, die die älteren ersetzen. Schwierig ist nur der Abgang von Georg Mendisch, den beide Seiten gern verhindert hätten. Aber wir sind nun mal keine Profis. Solche Veränderungen wird es immer wieder geben. Schön ist, dass wir Jungs dazu bekommen haben, die Lust auf Handball haben und bereit sind sich zu quälen.
 
Aber vorerst quält sich niemand, stehen Sommerferien an, oder? 
Die Mannschaft hat jetzt vier Wochen Pause. Einmal pro Woche treffen wir uns zum Fußball spielen und ein bisschen dummes Zeug babbeln.
 
Zum guten Schluss wechseln wir das Metier. Im wahren Leben sind Sie Erzieher im Hort. Wie weit ähnelt der Job dem Trainer-Dasein? 
Ich könnte jetzt was Plakatives sagen, mache ich aber nicht. Eigentlich gibt es wenig Parallelen. Manche pädagogischen Dinge kann man schon fürs Training verwenden, aber grundsätzlich ist es total unterschiedlich. In seiner Gesamtheit ist dieses Wechselspiel trotzdem sehr interessant.
Johannes David, Leipziger Volkszeitung vom 7.Juni 2014

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